
Tunnelblick
Gestern eine ungewertete Partie gespielt, sicherlich nicht die schönste und gegen Ende häuften sich auch die dunkel-orangen und fehlerhaften Züge.
Aber worauf ich hinaus will: Im 25ten Zug hatte ich einen totalen Tunnelblick...
Der Bauernzug von Schwarz war ein Zug vorher wegen Lxc7+ unbedenklich und ich hatte (mal wieder) zu schnell gezogen, und sah nach dem Bauern auf g5 keinen Ausweg mehr für meinen Läufer. Darüber ärgerte ich mich ungemein und suchte verzweifelt einen Ausweg mit einem Läufer- oder Damenzug... doch keine Chance. Vor lauter Ärger und in der Überzeugung, die Partie ist verloren, gab ich auf.
Erst die Analyse nach dem Spiel zeigte mir, dass der Bauernzug c5 die Rettung in dieser Situation gewesen wäre.
Warum hatte ich das nicht gesehen? Zum einen, weil ich emotional reagiert hatte (ich ärgerte mich, weil ich annahm, gepatzt zu haben) - zum anderen, weil ich nur "vor Ort" (Läufer und Dame) nach einer Lösung gesucht hatte - mir fehlte der Blick fürs Ganze.
Nun, aus Fehlern sollte man lernen! Negative Emotionen (Ärger/Frust/Wut/Enttäuschung) passen nicht zum "Spielprinzip" - das ja Freude machen soll - d.h. solange ich in Zukunft "beleidigt" bin, sollte ich wohl besser erst einmal ein Stündchen an die Luft oder einen Tee trinken.
Das Zweite ist, dass Lösungen oft im größeren Kontext zu finden sind. Gerade in kritischen Situationen ist ein Tunnelblick gefährlich (vielleicht damals in der Steinzeit noch nützlich - für mich als Hobby-Schachspieler eher ungeeignet). Leider geht kein rotes Lämpchen auf meinen Schreibtisch an mit "Achtung, Tunnelblick!" - also muss ich wohl selbst dafür sensibel werden.
Beim nächsten mal - und es wird bestimmt wieder die Situation geben, wo ich emotional beeinträchtigt und leicht panisch nach einem Ausweg suche - werde ich mir Zeit lassen. Am besten systematisch alle Möglichkeiten abklopfen. Mehrmals. Und dann nach einer Pause von einer Stunde noch einmal.
Mir gefällt der Gedanke an das Systematische. Viel zu oft nehme ich nur ein Teil des Schachbrettes wirklich wahr, überprüfe nur einen Teil der Möglichkeiten und dann werde ich immer wieder überrascht - oder kalt erwischt.
Sollte es mir gelingen, die Mauern am Rande meiner Wahrnehmung wenn schon nicht einzureißen, dann doch zumindest zu verschieben, dann wäre dies nicht nur für mein Schachspiel eine interessante Verbesserung: ein größerer Horizont und ein häufiger Blick über den Tellerrand wären mir durchaus willkommene Eigenschaften.