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Das warten auf Kasparov hat ein Ende

Das warten auf Kasparov hat ein Ende

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Vor 4539 Tagen spielte GM Garry Kasparov seine letzte gewertete Schachpartie. Damals existierten weder das Internet, noch der St. Louis Chess Club. Aber heute ist das warten auf den 13. Weltmeister der Geschichte vorbei.

Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Ihr könnt alle Partien vom 14. bis zum 18. August auf Chess.com/Live verfolgen und das Turnier live, auf Chess.com/TV, mit Kommentaren von GM Yasser Seirawan, GM Maurice Ashley und WGM Jennifer Shahade, ansehen.

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Ein Bild von GM Garry Kasparov mit einem iPhone machen? Auch iPhone´s existierten noch nicht, als Kasparov zum letzten Mal eine gewertete Partie gespielt hat. | Foto: Chess.com/Mike Klein.

Seit Kasparovs überraschendem Karriereende 2005 in Linares, sahen wir viele Sportgrößen kommen und gehen. Lance Armstrong gewann noch einmal die Tour de France, bevor er all seine Siege verlor. Tiger Woods gewann noch einige Golfturniere, aber blieb weit davon entfernt, Rekorde zu brechen...

Sprintstar Usain Bolt ging vor wenigen Tagen in Rente und Michael Schumacher, konnte, vor seinem tragischen Unfall, bei seinem Comeback keine weitere Weltmeisterschaft mehr gewinnen. Nur Roger Federer, tja, der ist einfach immer noch Roger Federer.

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Nachdem er das letzte Autogramm gegeben hatte, verlies Kasparov mit GM Levon Aronian und GM Ian Nepomniachtchi, lächelnd den Veranstaltunsort. | Foto: Chess.com/Mike Klein.

Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt, aber Kasparov hat den Schachsport zweifellos 15 Jahre lang beherrscht, und er war einer der wenigen Sportstars, die ihre Karriere beendeten, als sie abolute Weltspitze waren. Er war die Nummer 1 der Welt und hatte gerade das Turnier in Linares auf dem geteilten ersten Platz, punktgleich mit GM Veselin Topalov (gegen den er dann das Finale verlor) beendet, als er seinen Rücktritt bekanntgab.

Dieses Video zeigt alle Höhepunkte der heutigen Pressekonferenz.

Chess.com gab es damals noch nicht in seiner heutigen Form, also können wir nicht in unseren eigenen Archiven nachsehen, was wir damals geschrieben hatten, aber auf ChessBase fanden wir einen Artikel vom 11. März 2005 mit der Überschrift: "Die Partie, die er heute verloren hat...war die letzte die wir zu sehen bekommen werden." Und niemanden wird es stören, dass dieser Artikel jetzt geändert werden muss.

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Warum hat Kasparov auf f3 unterschrieben? Die Antwort findet ihr weiter unten. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Sein öffentlicher Auftritt begann heute, als ihn die Turnierleitung seinen Platz am Tisch, an dem sich die Schachfans Autogramme holen konnten, zugewiesen hatte. Die Schlacht der schwarzen Marker wurde um einiges effiktiver geschlagen als bei seinem Autritt an gleicher Stelle im Mai, wo er noch den ganzen Nachmittag damit verbrachte, Autogramme zu schreiben, denn heute war die Autogrammstunde wirklich genau eine Autogramm-Stunde. Es waren keine Selfies erlaubt und die zu signierenden Felder waren vorgegeben. Kasparov wurde das Feld "e4" zugeteilt, aber manchmal hatte schon einer der anderen Großmeister auf diesem Feld unterschrieben, und Kasparov wich dann auf das Feld f3 aus, was eine Hommage an seine letzte Weltmeisterschaftspartie 1990 war, die er mit Springer f3 eröffnet hatte.

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Die begehrte Signatur.... | Foto: Chess.com/Mike Klein.

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...des wertvollen Stiftes, der nach getaner Arbeit einfach am Tisch liegengelassen wurde. Wollte den niemand haben? | Photo: Chess.com/Mike Klein.

Veranstaltungen wie Autogrammstunden, bei denen die Fans die menschliche Seite der Spieler entdecken können, haben in St. Louis eine große Tradition. Während einer kurzen Atempause drehte sich GM Levon Aronian zu GM David Navara und fragte ihn nach der Tschechischen Fahne auf seinen Autogrammkarten:

"Also kommst du nicht aus den Philippinen?"

"Nein, nein," sagte Navara.

"Man könnte es aber denken!" .....Aronian.

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GM Levon Aronian: Großmeister, Komiker und Vexillologe. Die Tschechische und die Philippinische Flagge sind sich aber auch wirklich ähnlich. Vielleicht wollten sich GM David Navara und GM Wesley So diesen Anstecker bestellen?

Da wir gerade beim Thema Geographie sind: Hinter Kasparovs Namen finden sich wirklich 2 Fahnen, aber das ist sein eigenes Verschulden: Der Club bestätigte, dass sowohl die russische als auch die kroatische Fahne auf Kasparovs ausdrücklichen Wunsch hinter seinem Namen platziert wurden. Er ist zwar bei der FIDE noch als "Russe" gemeldet, aber seit 2014  hat er auch die kroatische Staatsbürgerschaft. (Kasparov behielt aber auch seine Russische).

Nachdem die Autogrammstunde beendet war standen die 10 Großmeister schon wieder vor laufenden Kameras und interessierten Fans, denn jetzt war es an der Zeit für die offizielle Eröffnungsfeier in der  World Chess Hall of Fame. Wie erwartet, richtete sich aber 90% der Aufmerksamkeit auf Kasparov und 10% auf die restlichen Teilnehmer. 

"Das ist schon ein immenser Hype," sagte GM Maurice Ashley zu Beginn der Zeremonie, und verglich Kasparovs Comeback mit den Comebacks zweier anderer Sportgrößen -- Muhammad Ali und Michael Jordan. Ashley wies auch darauf hin, dass GM Viswanathan Anand schon mehr Partien gegen Kasparov gespielt hat, als die anderen 8 Großmeister zusammen (die meisten haben ja überhaupt noch nie gegen Kasparov eine gewertete Partie gespielt).

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GM Viswanathan Anand beschrieb die "zwei Garry's", die er kennt, und er kann es nicht erwarten, dass "Garry Nummer 1" zurückkommt. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Anand sagte, dass er im Laufe der Jahre 2 verschiedene Männer kennengelernt hatte.

"Es gab den einen Garry Kasparov von '91 bis 2005," sagte Anand. "Wenn ich ihn danach getroffen habe, hatte sich irgendwas verändert. Er war ruhiger und ungezwungener. Ich habe mich dann an den zweiten gewöhnt, aber ich muss mich jetzt an den ersten erinnern."

Garry zeigte sich bei der Eröffnungsfeier mehr von seiner "zweiten Seite" als von "seiner Ersten".

"Ich werde mich schon vorbereiten," sagte er. "Heute Abend zu Beispiel, werde ich mir 'Game of Thrones' ansehen."

"Gott-sei-Dank wird das nur 5 Tage dauern!" sagte Kasparov und wiederholte, dass er nach diesem Turnier wieder sein Leben als Schachrentner weiterleben wird. "Ich habe keine Pläne für ein Comeback."

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Kasparov's erster "Zug" -- er wählte ein Buch, in dem seine Startnummer versteckt war. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Er ist sich sehr wohl bewußt, dass ihn die Aufmerksamkeit, die ihm schon vor dem Turnier entgegen kam, das ganze Turnier über begleiten wird.

"Ich werde die größte Beute in der Schachgeschichte sein."

GM Hikaru Nakamura stimmte ihm zu.

"Jeder von uns will ihn unbedingt schlagen," sagte Nakamura.

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GM Hikaru Nakamura zog als erster und er zog die Nummer 1. GM Ian Nepomniachtchi kann das Glück des Amerikaners kaum fassen. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

GM Levon Aronian wurde natürlich auch nach Kasparov gefragt. Der Armenier erinnerte daran, dass es nicht seine erste Partie gegen Kasparov sein wird, und wies auf eine Partie hin, die nicht in den Datenbanken zu finden ist.

"Ich bewundere Garry's Schach," sagte Aronian. "Ich habe erste einmal gegen ihn in einem Blitzturnier gespielt (das war 2004 in Reykjavik, und Kasparov scheint das vergessen zu haben). Es wird etwas ganz besonders sein, meine Siegesserie gegen ihn auszubauen!"

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GM Levon Aronian wird es schwer haben, weiterhin gegen Kasparov ungeschlagen zu bleiben. | Foto: Chess.com/Mike Klein.

Kasparov sagte, dass er seine Siegprämie spenden wird, egal wie hoch sie ausfällt. Und auch er selbst hat keine Ahnung, wo er am Ende des Turniers landen könnte.

"Ich bin die klassische Definition einer Wild Card. Ich kann sowohl positiv als auch negativ Überraschen."

Als er von Chess.com gefragt wurde, ob er sich Partien seiner Gegner angesehen hätte, antwortete er, dass er natürlich als Kommentator die Züge mitbekommen hätte, aber dass es viel leichter wäre Züge zu kritisieren als sie selbst zu ziehen..

"Seit bitte gnädig mit mir. Seit nicht zu kritisch!"

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GM Fabiano Caruana sieht Kasparov an, der sich darüber amüsiert, dass er zweimal die selbe Startnummer zog. | Photo: Chess.com/Mike Klein.

In den letzten Wochen bereitete sich Kasparov während einiger Flüge über den Atlantischen Ozean auf das Turnier vor.

"Es geht mehr um deine eigenen Instinkte und deine Form... Ich habe auch einige Hausaufgaben gemacht... mich über modernes Schach upgedated.

"Von der Form, die ich als 30 jähriger hatte, kann ich nicht einmal Träumen. Daran zu glauben wäre genauso Naiv, als an erneuten Haarwuchs zu glauben!"

Nach diesem Witz zogen die Spieler ihre Startnummern für das Schnellschach und auch für das Blitzturnier. Kasparov fand es amüsant, dass er für beide Events die Startnummer 4 zog. Nachdem dann alle Nummern gezogen waren, änderte sich aber seine Haltung.

Kasparov versteckte sein Gesicht hinter seinen Händen und konzentrierte sich auf einen Punkt am Boden. Ashely begann die Zeremonie zu beenden. Die Gespräche waren beendet, und Kasparovs Turnier hatte begonnen.

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GM Sergey Karjakin wird Kasparovs erster Gegner sein. Kasparov wird die weißen Figuren haben. | Foto: Chess.com/Mike Klein.

Die Auslosung ergab für die erste Runde, die um 20 Uhr gestartet wird, folgende Paarungen: Aronian-Navara, Nepomniachtchi-Dominguez, Anand-Nakamura, Kasparov-Karjakin und Le-Caruana.

Ihr könnt alle Partien auf Chess.com/Live verfolgen und das Turnier live, auf Chess.com/TV, mit Kommentaren von GM Yasser Seirawan, GM Maurice Ashley und WGM Jennifer Shahade, ansehen.

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FM Mike Klein

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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