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Carlsen steht beim Weltcup im Finale
Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen steht beim Weltcup im Finale

JackRodgers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Magnus Carlsen hat sein Match gegen Nijat Abasov durch ein Remis am zweiten Tag des Halbfinales gewonnen und sich dadurch beim FIDE Weltcup 2023 einen Platz im Finale gesichert.

Sein Finalgegner wird am Montag im Stichkampf zwischen Rameshbabu Praggnanandhaa und Fabiano Caruana ermittelt.

Im Damenfinale vergab Nurgyul Salimova gegen Aleksandra Goryachkina eine riesige Chance und musste am Ende 118 Züge lang um ein Remis kämpfen. Da es der Bulgarin aber gelungen ist, wird die Siegerin des FIDE Weltcups der Damen erst am Montag im Tiebreak ermittelt. Entschieden hingegen ist das Spiel um Platz 3. Dieser geht an die Ukrainerin Anna Muzychuk.

Die beiden Stichkämpfe beginnen am Montag, dem 21. August, um 13:00 Uhr.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle Runden des Weltcups auf den englischsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube.
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Sonntag.

Kommentatoren: Simon Williams und Tania Sachdev.

Open

Der zweite Tag des Halbfinales begann mit einem komischen Moment, der in den sozialen Medien schnell viral ging. Da er sich dafür entschied, zu spät zur Runde zu kommen, war Abasov nicht anwesend, als der Schiedsrichter die Spieler aufforderte, sich die Hand zu geben und ihre Uhren zu starten. Scherzhaft schüttelte Carlsen seinem unsichtbaren Gegner die Hand.

Das London-System war beim bisherigen FIDE Weltcup 2023 eine der besten Waffen von Abasov und er fand, dass dies die beste Möglichkeit sei, gegen den fünfmaligen Weltmeister zu kämpfen. Carlsen entschied sich erneut dafür, bereits im siebten Zug von der Theorie abzuweichen, um den schnell agierenden Abasov daran zu hindern, in seinem gewohnten, selbstbewussten Stil zu spielen. Diese Strategie zahlte sich aus und der Lokalmatador dachte 21 Minuten über seinen Zug 9.f3 nach.

Nijat Abasov. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Da Abasov nun eine Bauernstruktur hatte, die eher für das Jobava-London-System charakteristisch ist, expandierte er im Zentrum und veranlasste Carlsen, auf den Damenflügel zu rochieren. Da er ja gewinnen musste, war der Aserbaidschaner wahrscheinlich mit der Stellung, die er aufgebaut hatte, zufrieden und legte den Grundstein für einen Bauernsturm am Damenflügel.

Magnus Carlsen (links) und Nijat Abasov. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Um seinen gefährlichen Gegner zu neutralisieren, löste Carlsen ein gleichfarbiges Läuferendspiel auf, das er als "gewonnen" ansah. Anstatt sich mit einem Remis zufriedenzugeben, spielte der Weltranglistenerste erwartungsgemäß weiter. Vielleicht war das keine weise Entscheidung, denn plötzlich stand Abasov kurz vor dem Sieg.

The Big Greek kommentiert uns diese Partie:

Nach der Partie erklärte Carlsen: "Ich habe weitergespielt, weil ich dachte, dass es absolut kein Risiko gibt und ich dachte, ich hätte endlich trianguliert und eine Gewinnstellung bekommen. Es war ein ziemlich böses Erwachen, diesen Zug 56.d6 zu sehen, weil ich eigentlich gedacht hatte, wann immer er das macht, gehe ich einfach mit dem König auf den Bauern, aber als er ihn spielte, sah ich sofort seine Idee. Glücklicherweise war die Stellung gleich danach wieder Remis."

Die Idee, auf die sich Carlsen bezog, war das brillante Läuferopfer 57.Lg4. Zum Glück für den Norweger fand er eine Variante, die die Spielereien beendete und ihm das Remis sicherte.

Dieses Remis markierte das Ende eines außergewöhnlichen Laufs des aus Baku stammenden Abasov, der am Dienstag immer noch Chancen auf den dritten Platz haben wird. Gewonnen hat er aber auf jeden Fall einen potenziellen Platz im Kandidatenturnier, eine Tonne Elo-Punkte und eine ganze Legion neuer Fans.

Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Auf wen Carlsen bei seinem ersten Weltcup-Finale treffen wird, steht noch nicht fest, denn Praggnanandhaa und Caruana konnten auch in ihrer zweiten Partie, in der Caruana erneut die Rolle des Aggressors übernommen hatte, keinen Sieger finden.

Fabiano Caruana. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Caruana äußerte sich nach der Partie kritisch über Praggnanandhaas Entscheidung, 15.Sa3 zu spielen und bezeichnete sie als zweifelhaft. Er schlug stattdessen vor, dass sein Gegner einfach beim theoretischen Motiv, den schwarzen Springer auf c6 zu schlagen und den Doppelbauern ins Visier zu nehmen hätte bleiben sollen.

Die Entscheidung, von der Theorie abzuweichen, führte bei Praggnanandhaa zu unkoordinierten Figuren und Raummangel, aber die Verteidigung des 18-Jährigen war Weltklasse und er konnte die Stellung relativ leicht stabilisieren.

Angesichts der bevorstehenden Tiebreaks ist nicht abzusehen, welcher der beiden formstarken Stars gegen Carlsen antreten wird. Caruana und Praggnanandhaa standen sich noch nie in FIDE-bewerteten Schnellschach- oder Blitzpartien gegenüber und daher werden sie sich bei ihrem Aufeinandertreffen am Montag auf unbekanntem Terrain bewegen. Wie Caruana es treffend ausdrückte, als er gebeten wurde, sich zu den Tiebreaks zu äußern: "Alles kann passieren."

Der Turnierbaum

Damen

Die zweite Partie des Damenfinales bestand aus drei Akten. Goryachkina startete mit den schwarzen Figuren stark gegen Salimovas Damengambit und ergriff dank expansivem Spiel am Damenflügel die Initiative, was ihre Absicht zum Ausdruck brachte, auf Sieg zu spielen.

Aleksandra Goryachkina. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Da Salimova die Gefahr in der Stellung spürte, bot sie einen Damentausch an und begann, die kürzlich eröffnete c-Linie anzufechten, während sie gleichzeitig die geschwächte Bauernstruktur ihrer Gegnerin ins Visier nahm. Trotz ihres Raumvorteils schien sich Goryachkina im Mittelspiel zu verirren und musste bald feststellen, dass ihr vermeintlicher Vorteil nur oberflächlich war.

Salimovas Selbstvertrauen nahm im Laufe des Mittelspiels zu und obwohl sie bis zum 28. Zug mehr als zwei Drittel ihrer Zeit verbraucht hatte, spielte die bulgarische Außenseiterin im Mittelspiel tadellos und hatte schon bald zwei Mehrbauern.

Goryachkina hatte aber die aktiveren Figuren und als Salimova in Zeitnot nicht die besten Züge finden konnte, konnte die Russin die beiden Bauern zurückgewinnen.

Der Momentumwechsel in dieser Phase war so extrem, dass die Kommentatoren Sachdev und Williams innerhalb von nur wenigen Zügen mit ihrer Prognose von einem Sieg von Weiß zu einem Sieg von Schwarz wechselten. Am Ende opferte Salimova aber ihren Springer gegen den letzten schwarzen Bauern und verteidigte 50 Züge lang ein Endspiel mit Turm gegen Turm und Springer.

Die Kommentatoren Sachdev und Williams. Screenshot: Chess24/Youtube.

Salimova verteidigte das Endspiel perfekt und verwendete dabei eine andere Technik, als IM Ulviyya Fataliyeva, die das gleiche Endspiel vor einigen Tagen gegen Ju Wenjun verloren hatte. Für diejenigen mit einer längeren Erinnerung: Garry Kasparov gewann dieses Endspiel 1996 in Spanien gegen Judit Polgar. Aber da war die 20-jährige Salimova noch nicht einmal geboren...

Garry Kasparov. Foto: Lennart Ootes/Champions Showdown: Chess9LX.

Großmeister Rafael Leitao hat dieses Wechselbad der Gefühle für uns analysiert.

Hätte Salimova diese Partie gewonnen, hätte sich nur den Weltcup, sondern auch den GM-Titel gewonnen (den Weltcup zu gewinnen ist eine der wenigen Möglichkeiten, den Titel anders als auf traditionelle Weise zu erhalten). Sollte sie im Tiebreak als Siegerin hervorgehen, wird dies aber immer noch der Fall sein.

Nurgyul Salimova. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Das Spiel um Platz 3 zwischen Muzychuk und Tan endete 54 Zügen Remis, wodurch sich die Ukrainerin den dritten Platz gesichert hatte. Wie ein Puppenspieler kontrollierte Muzychuk das Geschehen auf dem Brett und gab den Vorteil, den sie sich schon früh gesichert hatte, nie aus der Hand.

Tan versuchte ihr Bestes, um das Mittelspiel aufzupeppen, indem sie auf die andere Seite als ihre Gegnerin rochierte, aber dann erwachten die schwarzen Figuren schnell zum Leben und die Chinesin war gezwungen, in ein Endspiel überzuleiten. Im Interview nach der Partie dachte Muzychuk, dass sie nach dem Zug 8.g3 von Tan einfach besser stehen musste.

Durch den dritten Platz beim Weltcup hat sich Muzychuk nach Lei Tingjie, Kateryna Lagno, Goryachkina und Salimova als fünfte Spielerin einen Startplatz beim Kandidatenturnier der Damen 2024 gesichert.

Anna Muzychuk. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der Turnierbaum - Damenturnier

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup läuft bis zum 21. August und das Open bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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