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Carlsen steht kurz vor seinem ersten Weltcup Finale
Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen steht kurz vor seinem ersten Weltcup Finale

JackRodgers
| 1 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Nachdem Nijat Abasov beim FIDE Weltcup 2023 zwölf klassischer Partien gegen einige der weltbesten Spieler ohne eine einzige Niederlage überstanden hatte, wurde sein Lauf am Samstag von Magnus Carlsen beendet. Obwohl Carlsen die Partie gewonnen hat, konnte Abasov dem Weltranglistenersten aber einige Schwierigkeiten bereiten und hatte sogar eine Gelegenheit, die Partie zu gewinnen.

Im anderen Halbfinale setzte Fabiano Caruana den Inder Rameshbabu Praggnanandhaa mit Weiß zwar dauerhaft unter Druck, am Ende gelang es dem Amerikaner nicht, seinen jungen Gegner zu besiegen.

Bei den Damen spielten Aleksandra Goryachkina und Nurgyul Salimova bereits die erste Partie des Finales, die aber ohne Siegerin endete. Die erste Partie im Spiel um Platz 3 gewann Anna Muzychuk gegen Tan Zhongyi.

Das Halbfinale im Open und das Finale der Damen wird am Sonntag, dem 20. August um 13:00 Uhr fortgesetzt.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle Runden des Weltcups auf den englischsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube.
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Samstag.

Kommentatoren: Simon Williams und Tania Sachdev.

Open

Drama, Drama und noch mehr Drama waren das Motto dieses Weltcups und der erste Tag des Halbfinales trug zu dem Spektakel bei. In der Partie Carlsen gegen den in klassischen Partien ungeschlagenen Lokalmatadoren Abasov erwies sich das Ungleichgewicht in der Elo als trügerisch, denn die Partie entpuppte sich als Achterbahnfahrt.

Abasov spielt in seiner Heimatstadt Baku das Tunier seines Lebens. Bild: 2700chess.com.

Carlsen ist kein Spieler, der seine Gegner unterschätzt und vor der Partie gab er zu verstehen, dass er zwar glücklich sei, im Halbfinale zu stehen und "nicht gegen die allerbesten Jungs antreten zu müssen", sein Match gegen Abasov aber nicht einfach werden würde: "Er war bislang sehr stark und hat sehr gespielt. Souverän, sehr schnell und einfach gut und deshalb wird es nicht einfach."

Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die Rossolimo-Variante der Sizilianischen Verteidigung war das Schlachtfeld der ersten Halbfinalpartie am Samstag und Carlsens Gambit und Neuerung im siebten Zug erwischte den Aserbaidschaner, der wahrscheinlich nicht damit gerechnet hatte, mit Schwarz so früh einen Mehrbauern zu haben.

Nach einem Vorstoß des g-Bauern im 10. Zug drohte Carlsen, Schwarz einen dritten Doppelbauern zu verpassen, aber seine Pläne wurden durch Abasovs Zug 13...g5 vereitelt. Aus Angst vor der Aussicht, in den Bauernsturm des ehemaligen Weltmeisters zu rochieren, entschied sich Abasov für die lange Rochade und gab als Hommage an Carlsens Schikanen den Bauern zurück.

Die praktische Entscheidungsfindung von Abasov passte zu seiner neuen Live-Elo von 2672 und er fand sich schnell in einem Endspiel mit Dame, Turm und Läufer wieder, in dem die ungleichfarbigen Läufer ein mögliches Remis ankündigten. Carlsen sagte später: "Er fand viele Ressourcen und ich wurde ziemlich nervös."

Nijat Abasov (links) und Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Schach kann unverzeihlich sein, denn obwohl sich Carlsen in den ersten 30 Zügen einen soliden Vorteil erspielt hatte, wäre seine Stellung nach dem Zug 34.Dh2 fast zusammengebrochen. Abasov verpasste aber die optimale Antwort 34...Df1 und die Partie ging weiter.

Obwohl die objektive Bewertung danach ungefähr gleich war, musste Schwarz mit äußerster Präzision spielen, um die Stellung zu halten und als Abasovs Zeit im 40. Zug unter einer Minute gesunken war, entschied er sich für ein Damenschach, der ihn die Partie kostete.

Der Kampf David gegen Goliath ist auch unsere Partie des Tages und Großmeister Rafael Leitao hat sie für uns kommentiert.

Nach der Partie sprach Carlsen im Studio nicht nur, aber auch über diese Phase der Partie.

Und auch The Big Greek hat sich diese Partie ganz genau angesehen:

Praggnanandhaas Fähigkeit, Widrigkeiten zu überwinden, war bei diesem Weltcup bisher unübertroffen und nach einem dringend benötigten Ruhetag nach dem hochkarätigen Viertelfinale gegen seinen Landsmann Arjun Erigaisi musste das indische Wunderkind seine bislang größte Herausforderung bestehen: Fabiano Caruana in einer großartigen Form.

Fabiano Caruana. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Eine der wenigen Gemeinsamkeiten dieser beiden Spieler ist, dass sie zusammen mit den anderen Halbfinalisten die einzigen Teilnehmer sind, die jeweils zwei Spieler mit einer Wertung von über 2700 aus dem Weltcup werfen konnten (Praggnanandhaa eliminierte Hikaru Nakamura und Arjun während Caruana gegen Jan-Krzysztof Duda und Leinier Dominguez gewinnen konnte). 

Obwohl er, nachdem Carlsen angekündigt hatte, dass er beim Kandidatenturnier 2024 nicht teilnehmen wird, seinen Startplatz in Toronto so gut wie sicher hat, haben die Erwartungen und der Druck auf Praggnanandhaa nicht im Geringsten nachgelassen. Für indische Schachfans ist ein Spieler im Halbfinale unbekanntes Terrain und für einen 18-Jährigen, der nur noch zwei Siege von einem Titel entfernt ist, den der legendäre Viswanathan Anand nie gewinnen konnte, scheinen die Sterne greifbar zu sein.

Praggnanandhaa R. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Während das Pushen mit den weißen Figuren im Allgemeinen der Matchplan für Spitzenspieler ist, war Caruana wahrscheinlich besorgt über die Tatsache, dass Praggnanandhaa in diesem Turnier bisher noch nicht mit Schwarz geschlagen wurde und fünf von seinen neun Siegen mit Schwarz errang.

Praggnanandhaa hat sich auf Platz 23 der Weltrangliste verbessert. Bild: 2700chess.com.

Nichtsdestotrotz ist Caruana ein gefährlicher Gegner und er entschied sich dafür, 18 Züge tief in die Theorie der Italienischen Eröffnung einzutauchen, was ihm einen leichten Vorteil verschaffte. Auf dem Weg zu einem Dame- und Turmendspiel versuchte der Amerikaner, die Entwicklung von Praggnanandhaas Turm zu unterdrücken, wurde aber mit einem ebenso logischen Plan konfrontiert – einem erzwungenen Damentausch.

Praggnanandhaa (links) und Fabiano Caruana. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Wie bei Carlsen-Abasov war 40. Zug der entscheidende Moment in der Partie und da Caruana wenig Zeit zum Berechnen hatte, verpasste er die Gelegenheit, das Endspiel mit 40.Ke3 in eine Gewinnstellung zu verwandeln. Das Erreichen der Zeitkontrolle im nächsten Zug war für Caruana kein Trost, da er gerade in eine klassische Vier-gegen-Drei-Bauern und Alle-Turmendspiele-sind-Remis-Stellung geraten war.

Die zweite Partie dieses Halbfinales verspricht ein großartiger Kampf der Vorbereitung und des Spielwitzes zu werden. Während Caruana zwar der Rating-Favorit ist, ist Praggnanandhaa auf dem aufsteigenden Ast und wird seinen Gegner auf ganzer Linie herausfordern.

Der Turnierbaum

 

Damen

Im Damenfinale beeindruckte Salimova mit einem sicheren Remis mit den schwarzen Steinen. Die Bulgarin bezeichnete Goryachkinas Variante gegen das abgelehnte Damengambit als „verdächtig“ und war der Meinung, dass sie mit dem Läuferpaar und der Aktivität mehr als genug Kompensation für den geopferten Bauern hatte und sogar besser stand.

Aleksandra Goryachkina (rechts) und Nurgyul Salimova. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Goryachkina hätte in der Eröffnung nach dem Gewinn des Bauern sogar mit 13.Dxc5 einen zweiten Bauern gewinnen können und wäre danach laut Engines zwischen "klar besser" und "auf Gewinn" gestanden. Salimova bestätigte zwar, dass sie sich diesen Zug angesehen hatte, sagte aber darüber: "So würde doch kein Mensch spielen."

Danach flogen die Figuren schnell vom Brett und die Spielerinnen fanden sich in einem Endspiel Springer gegen Läufer wieder, das beide als Remis einschätzten.

Das Duell zwischen Muzychuk und Tan um Platz drei bekamen wir auch schon beim Weltcup 2021 zu sehen und dort konnte sich Tan den dritten Platz sichern. 2023 gelang aber Muzychuk ein Auftaktsieg mit den weißen Figuren und Anand lobte auf Twitter die "hervorragende Technik" der Ukrainerin.

Während das Mittelspiel, das aus einer Englischen Eröffnung hervorgegangen war, nach einem klassischen Remis aussah, wurde im Endspiel klar, dass die Nummer 10 der Damenweltrangliste auf Sieg spielte. Der Zug 29.Tc5, der Tan einen Bauern anbot, war wohl der Zug des Tages:

Nachdem sich Tan dann auf e2 bedient hatte, fixierte Muzychuk ihren Läufer auf f6 und begrub damit den schwarzen König am Königsflügel. Obwohl die Engine immer noch anzeigte, dass die Stellung ausgeglichen war, erwies sich die Präzision, die erforderlich war, um den weißen b-Bauern daran zu hindern, über das Brett zu stürmen, für Tan als zu schwierig.

Der Weltcup und der Kampf der Turnierfavoriten gegen Außenseiter nähert sich dem Ende. Wird es Salimova, Abasov und Praggnanandhaa gelingen, ihre Gegner, die sich auf den ersten beiden Plätzen der Weltranglisten befinden, zu besiegen, oder werden sich Goryachkina, Carlsen und Caruana durchsetzten?

Am Sonntag werden wir es erfahren.

Der Turnierbaum der Damen

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup läuft bis zum 21. August und das Open bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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