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Carlsen wurde in der Eröffnung überrascht und ermauert ein Remis

Carlsen wurde in der Eröffnung überrascht und ermauert ein Remis

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Nur wenige Stunden vor dem 100 Jahrestags des Endes des 1. Weltkriegs, verhielten sich auch die beiden besten Schachspieler der Welt friedlich und einigten sich bei der Schachweltmeisterschaft 2018 auf ein Remis. Nachdem Magnus Carlsen und Fabiano Caruana gestern fast 7 Stunden lang um den Sieg gerungen hatten, dauerte die Partie heute nur halb so lange.

Es gab jedoch einige frappierende Ähnlichkeiten. Wieder war Schwarz der Aggressor und wieder genoss Schwarz einen überzähligen Bauern in einem Turmendespiel. Der Herausforderer presste die Stellung jedoch nicht so stark aus, wie der Weltmeister er gestern getan hatte.

Fabiano Caruana

Viele Experten erwarteten, dass Fabiano Caruana mehr Eröffnungsgeheimnisse als der Champion auf Lager haben würde. Heute lüftete der Amerikaner sein erstes. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Caruana korrigierte die Anekdote von gestern und sagte, dass es eigentlich gar nicht so leicht sei, spät in der Nacht in London zu essen. 1:0 für die "Hungergames".

In der zweiten Runde wurde Carlsen überrascht, als Caruana mit 10...Td8 die bekannten Gefilde verließ. Er dachte etwa 17 Minuten über seine Fortsetzung nach, denn er konnte sich nur noch wage daran erinnern, dass die Stellung schon im WM Kampf 1978 zwischen Anatoly Karpov und Viktor Korchnoi gespielt wurde.

Eigentlich haben die beiden Schachlegenden diese Stellung dreimal in Baguio City auf dem Brett gehabt und jedesmal führte Karpov die schwarzen Figuren. Zweimal spielte er 10...Le7 und remisierte danach und einmal 10...Te8 mit einem fantastischen Tal-mäßigen Springeropfer. Die Idee dafür stammte auch wirklich von Mikhail Tal, der damals als Karpovs Sekundant fungierte!

Carlsen sagte, er sähe eine klare parallele zwischen seiner Situation und Korchnois Schock, obwohl Korchnoi die Partie damals gewinnen konnte. In der Tat beunruhigte ihn der Generationsunterschied noch mehr: Er erklärte, dass seine Lage noch schlimmer hätte sein könnte, da die heutigen Waffen zum Teil aus Computersilizium und nicht nur aus menschlichem Einfallsreichtum bestehen.

Magnus Carlsen

Magnus Carlsen wundert sich, welcher Computer wohl Caruna den Zug 10...Td8 empfohlen hat. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Trotzdem konnte Korchnoi aber die 21. Partie gewinnen. Die Stellung nach dem 10. Zug von Weiß ist heute noch theoretisch relevant. (Hikaru Nakamura spielte Anfang des Jahres 10 ... Le7 gegen Sergey Karjakin und remisierte beim Saint Louis Rapid und Blitz.)

Carlsen schien sich der Partie von 1978 sehr bewusst zu sein und gab zu, die Züge 10 ... Te8 und 10 ... Le7 Bzu kennen. Stattdessen entkorkte Caruana aber den viel weniger verbreiteten Zug 10 ... Td8, und der Norweger ging ins geistige Svalbard, um herauszufinden, was als nächstes zu tun ist. Eigentlich war seine Reaktion aber etwas weniger lyrisch.

"Oh Scheiße!" war Carlsens Erinnerung an seinen Denkprozess, als der Turm auf dem Ausgangsfeld der Dame landete. Beide Spieler waren sich einig, dass der kritische Test 11.Sd2 gewesen wäre, aber Carlsen wollte etwas Sichereres. Trotzdem gab er zu, ziemlich bald im "Catenaccio-Modus" gewesen zu sein, um nach einem Rechenfehler das Gleichgewicht halten zu können.

"15.Se5 ist einfach ein Rechenfehler ... Ich hatte 15...Ld6 übersehen", sagte er.

Um möglichst alle Figuren vom Brett zu bringen und ein Turmendspiel zu erreichen, akzeptierte Carlsen dann viele hässliche Bauern. Seine Stellung war zwar nicht so desolat, wie die von Caruana's gestern, aber immerhin haben jetzt beide Spieler die Erfahrung gemacht, wie es ist, eine Eröffnung mit Weiß zu verhunzen.

"Dies scheint ein Trend im modernen Schach zu sein - Mit Schwarz hat man viel mehr Bewegungsfreiheit", sagte Caruana über den Fakt, dass schon den zweiten Tag in Folge der Nachziehende die bessere Stellung erlangte. Seiner Meinung nach zeigen die Computer immer wieder neue Ideen auf und verhindern dadurch, dass sich dieselben Eröffnungen ständig wiederholen. Sie geben einem viel kreative Freiheit", sagte er.

Sam Shankland

Carlsen äußerte sich auch zur Option, im 17. Zug Sxf7 zu spielen:

"Mein Gefühl sagte mir, dass das Opfer funktioniert!" sagte er. "Aber mein Hirn fand nicht heraus, wie er funktionieren sollte, also habe ich weiter auf Sicherheit gespielt."

Caruana hatte diesen Zug auch berechnet und sagte: "Er erschien mir nicht als wirkliches Problem." Er fügte noch hinzu, dass er mehrere Antwortmöglichkeiten gehabt hätte.

Hier ist die Partie aus der Sicht von Alex Yermonlinsky:

Carlsen hätte im 10. Zug ins Stolpern geraten können, aber er spielte unbeeindruckt weiter. "Er ist nicht der Hauptvariante gefolgt. Das ist alles und nichts ungewöhnliches bei ihm," sagte er.

Fabiano Caruana Danny King

Caruana und Danny King bei der Pressekonferenz. Werden hier am Ende des Monats zwei "Könige" sitzen? | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Trotz der fehlenden Gewinnchancen heute hat der Champion gegenüber der ersten Partie eine Verbesserung erzielt. Während er gestern mitten in der Partie eine Jacke anzog, kam er heute besser vorbereitet und trug ein Unterhemd.

"Ich finde, es wirkt sich nicht positiv auf das Spiel aus, wenn man am Brett friert", sagte er.

Apropos Wetter: Heute regnete es den zweiten Tag in London und der heutige Regenguss war viel heftiger als gestern. Wieder schien es, als hätte sich die Erfahrung des Champions ausbezahlt.

Werft einfach einen Blick auf Caruanas Sakko am Anfang der Partie:

Fabiano Caruana

Den Weg zum Spielort hat Caruana nicht optimal gestaltet. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Im Gegensatz dazu Carlsens Technik. Mit der Erfahrung aus 3 Weltmeisterschaften weiß er, dass es manchmal auch auf die Nebensächlichkeiten ankommt:

Magnus Carlsen

Man könnte denken, dass Peter Heine Nielsen aufgrund seiner Größe ein perfekter Regenschirmhalter wäre, aber Carlsen behandelt sein Personal vorbildlich. | Foto: Ole Kristian Strøm/VG.

Ein anderes Thema, das heute auftauchte, waren die Zuschauermassen am Wochenende. Laut World Chess-Chef Ilya Merenzon verkaufte das Unternehmen heute mehr als die Standard-250-Tickets, um allen Anfragen gerecht zu werden (er vermutete, dass es rund 300 waren).

Gäste, die für das Standard-Ticket, das £ 70 kostet, bezahlten, erhielten daher keinen uneingeschränkten Zugang zu dem Bereich, in dem Sie die Spieler sehen können, sondern stattdessen nur ein 30-minütiges Zeitfenster. Falls ein zweites Zeitfenster zur Verfügung stand, erhielten Sie erneut Zugang und erst nach 18 Uhr Ortszeit (also nach 3 Stunden) erhielten alle Zuschauer uneingeschränkten Zugang.

"Der Grund ist, dass die Kapazität des Gebäudes gesetzlich begrenzt ist", sagte Merenzon. "An manchen Tagen, wie dieses Wochenende, ist es komplett ausverkauft. Wir haben somit mehr Menschen die Möglichkeit gegeben, die Partie zu verfolgen und trotzdem die Sicherheitsbestimmungen eingehalten."

Er sagte, dass dies dem New York 2016-System ähnelte (dort gab es aber nur Stehplätze und die Aufenthaltszeit war an den belebtesten Tagen von vorneherein auf 15 Minuten begrenzt. Der Sichtbereich war aber auch so komfortabel, dass sich dort niemand freiwillig stundenlang aufhalten wollte). Im Gegensatz zu New York gibt es in London mehr Bereiche, in denen Fans zirkulieren können, darunter etwa 50 Plätze bei den Live-Kommentatoren (ein Bereich, der 2016 für Zuschauer nicht zugänglich war).

Ilya Merenzon

World Chess CEO Ilya Merenzon (links) erklärte den Medien die Entscheidung bezüglich der Zuschauer. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

"Tickets für Schachveranstaltungen zu verkaufen ist ein bisschen anders, als für andere Sportveranstaltungen, da die Partien so lange dauern können und die Menschen sich nicht die gesamte Partie ansehen", sagte Merenzon. "Es ist ein bisschen schwierig, aber als wir [in New York] gemessen haben, wie viel Zeit der Partie die Zuschauer wirklich den Spielern zusehen, waren es nur acht Prozent der Zeit."

Das Kleingedruckte auf den gedruckten Tickets besagt, dass diese Einschränkung ein Recht ist, auf das sich der Veranstalter berufen kann. Es ist jedoch unklar, ob dies beim Kauf des Tickets, oder erst beim Ausdrucken des Tickets offensichtlich ist.

Merenzon sagte, die heutige Festlegung von 30-Minuten-Zeitfenstern sei seine Entscheidung gewesen. Er sagte, er musste einen Kompromiss zwischen einer größeren Spielstätte und einer in Zentrumsnähe von London finden (die größeren Veranstaltungsorte wären zu weit außerhalb gewesen). Dies ist aber nicht das einzige Raumproblem, welches die Veranstaltung überschattet. Merenzon lud die meisten Schachmedien, einschließlich Chess.com, nicht zur Eröffnungszeremonie ein. Darüber hinaus ist der Medienraum deutlich überlastet, obwohl mittlerweile an einem Café ein Schild hängt, was dieses zu einem zweiten Medienraum machen soll.

"Es ist eben ein Kompromiss", sagte er.

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Natürlich könnt ihr die Weltmeisterschaft live auf Chess.com verfolgen. Ferner findet ihr jeden Tag Berichte, Fotos und Analysen auf Chess.com/news. Alle Partien könnt ihr auf Chess.com/wcc2018 nachspielen und die Live-Übertragungen mit unseren Kommentatoren IM Danny Rensch und GM Robert Hess findet ihr auf Twitch.tv/Chess oder Chess.com/TV. Die beiden werden außerdem abwechselnd von Schachgrößen wie Hikaru Nakamura, Maxime Vachier-Lagrave, Wesley So und Sam Shankland unterstützt.

GM Alex Yermolinsky wird jeden Tag ein Video mit den Höhepunkten des Tages veröffentlichen, welches ihr auf Twitch, YouTube, Facebook und Chess.com ansehen könnt. 

US-Meister GM Sam Shankland wird jede Partie für euch analysieren.

Und an jedem Ruhetag wird euch GM Yasser Seirawan mit exklusiven Videos für Chess.com Mitglieder unterhalten. 


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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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