Ein Rückblick auf den Cairns Cup 2020
Beim Cairns Cup 2020 haben sich zwei Spielerinnen ganz besonders ins Rampenlicht gespielt. Während GM Humpy Koneru nach zweijähriger Schachpause ihren dritten großen Sieg feiern konnte, zeigte WGM Carissa Yip ihr großes Potenzial.
Chess.com hat täglich vom Cairns Cups berichtet. In diesem Bericht fassen wir das Turnier zusammen und analysieren drei besonders interessante Partien.
Konerus großartiges Comeback
Im September 2016 entschied sich Koneru, eine Schachpause einzulegen. Sie brachte ihre Tochter Ahana zur Welt und kümmerte sich um sie, bevor sie bei der Batumi-Olympiade 2018 in die Schachwelt zurückkehrte.
Nachdem sie 2019 schon den Skolkovo Grand Prix und die Damen Schnellschach Weltmeisterschaft gewonnen hatte, steht nach ihrem Sieg beim Cairns Cup einwandfrei fest: Koneru ist zurück!
Um diese - vielleicht etwas offensichtliche - Behauptung weiter zu unterstützen, muss man sich nur die aktuelle Live-Weltrangliste der Damen ansehen. Koneru überholte im Februar Ju Wenjun und ist jetzt wieder die Nummer zwei der Welt:
"Nach meiner Niederlage in der zweiten Runde hatte ich nicht damit gerechnet, ganz nach oben zu kommen", sagte Koneru nach ihrem Sieg. "Dies war ein ziemlich starkes Turnier und ähnelte dem Damen-Grand-Prix. Es gab einige Runden, bei denen alle Partien Remis endeten, was die Stärke und Ausgeglichenheit des diesjährigen Feldes zeigt."
Der 32-jährige Koneru lebt in Vijayawada, der zweitgrößten Stadt im südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. In diesen Tagen verbindet sie ihre Mutterschaft mit ihrer Schachkarriere - und das läuft sehr gut.
In einem Interview mit ESPN India, das kurz nach dem Gewinn der Schnellschach-Weltmeisterschaft geführt wurde, sagte Koneru, dass sie als Mutter geduldiger, toleranter und verzeihender gegenüber ihrer eigenen Form und ihren Ergebnissen geworden ist.
"Es hat meine Einstellung zu dem, was ich von Turnieren will, geändert. Früher war ich vom ersten Tag an aufgeregt, weil ich davon besessen war, ein Turnier zu gewinnen. Jetzt sehe ich mir bis etwa zur vorletzten Runde nicht einmal die Tabelle an. Ich setzte mich keinem Stress mehr aus und kann meine Partien viel mehr genießen."
Ich setzte mich keinem Stress mehr aus und kann meine Partien viel mehr genießen.
—Humpy Koneru
Koneru schaffte nach ihrer frühen Niederlage in diesem Turnier ein Comeback. Diese kam in der zweiten Runde gegen GM Mariya Muzychuk zustande, die als einzige Spielerin die Turniersiegerin besiegen konnte und am Ende gemeinsam mit GM Alexandra Kosteniuk den dritten Platz belegte.
Muzychuk erhielt für diesen Sieg aber nicht nur einen Punkt, sondern auch den von Chess.com gestifteten Preis für die beste Partie.
Schönheitspreise für die beste Partie eines Turniers wurden früher regelmäßig vergeben, sind aber heutzutage eher selten. Wir finden das schade und möchten diese Tradition wieder aufleben lassen, indem wir unseren eigenen Preis vergeben. Wir beabsichtigen, dies von nun an bei allen großen Turnieren zu tun.
Der Preis wird zu 50 Prozent von den Mitarbeitern von Chess.com und zu 50 Prozent von den Chess.com-Mitgliedern vergeben (auf unserer Webseite fand eine Abstimmung statt). Es ist ein reiner Ehrenpreis, obwohl wir am Ende des Jahres möglicherweise etwas Besonderes für den Spieler, der am meisten Schönheitspreise gewonnen hat, geplant haben.
Beim Cairns Cup fiel die Wahl auf Muzychuks Sieg gegen Koneru, bei dem die Ukrainerin nicht nur eine, sondern gleich zwei Turmüberführungen eingesetzt hat. (Diese Partie wurde mit einem kleinen Vorsprung vor der Partie Ju gegen Yip gewählt.)
Kommen wir aber zurück zu Koneru. Während sie einst von ihrem Vater trainiert wurde, arbeitet sie jetzt meistens alleine an ihrem Schach. Sie hat zwar in einem Interview mit dem Deccan Chronicle erklärt, dass sie speziell an ihren Eröffnungen arbeiten muss, aber es scheint, dass ihre Eröffnungen derzeit auf einem sehr anständigen Niveau sind.
Nach vier Runden stand sie noch bei 50 Prozent, aber der Sieg in der fünften Runde gegen die bis dahin führende GM Nana Dzagnidze sollte der Grundstein zum Turniersieg werden. Das Damenindische Gambit sah sehr solide aus und führte zu einem interessanten Kampf.
Koneru gewann auch am nächsten Tag gegen Kosteniuk und nach einem Remis gegen GM Irina Krush in der vorletzten Runde besiegte sie die letztjährige Siegerin GM Valentina Gunina, die diesmal den letzten Platz belegte.
Konerus Erfolg war auch dem Stolpern ihrer Hauptkonkurrenten in der Phase, in der es darauf ankam, geschuldet. Anfangs schien die Damenweltmeisterin Ju Wenjun, die besten Karten für den Turniersieg zu haben. In der siebten Runde vergab sie jedoch zuerst eine gewonnene Stellung gegen Dzagnidze und in der achten Runde verlor sie gegen die jüngste Teilnehmerin, die 16-jährige Carissa Yip.
Yips großes Potenzial
Für Yip hatte dieses Turnier 2 Gesichter. Zuerst verlor sie vier Partien in Folge und dann erzielte sie 3 Siege und 2 Remis. Welch eine Kehrtwende!
Yip stammt aus Massachusetts und ist eines der größten amerikanischen Talente. Im Oktober letzten Jahres war sie das jüngste Mädchen in den USA, das jemals die Anforderungen für einen IM-Titel erfüllt hat. Dieser Titel sollte ihr noch in diesem Monat von der FIDE verliehen werden.
In der offiziellen Liveübertragung der letzten Runde sprach GM Garry Kasparov über Yip und erzählte von seinen Erfahrungen, die er im Rahmen der Talentförderung der Kasparov Chess Foundation mit ihr gemacht hatte:
"Als ich sie vor ein paar Monaten in New York sah, war ich wirklich beeindruckt. Deshalb war ich schockiert über ihren miserablen Start und die vier verlorenen Partien. Eigentlich bin ich nicht überrascht, dass sie so ein starkes Comeback geschafft hat und ich muss sagen, dass die gestrige Partie gegen Ju wirklich gut war. "
Ich war wirklich beeindruckt.
—Garry Kasparov über das Training mit Carissa Yip
Der Sieg mit Schwarz gegen Ju war auch das Highlight des Turniers für die junge Amerikanerin.
Nach ihrem schlechten Start noch ein so starkes Turnier zu spielen, war für Kasparov ein großes Zeichen für Yips Potenzial: "Die Kombination aus Talent, harter Arbeit und starkem Charakter macht einen großen Champion aus."
Spectacular game by @CarissaChess to take down the Women's World Champion!#CairnsCup pic.twitter.com/RZQvlT1PBd
— Saint Louis Chess Club (@STLChessClub) February 15, 2020
Der Saint Louis Chess Club gratuliert Carissa Yip zu ihrem Sieg auf Twitter
Im Interview mit Nigarhan Gurpinar von Chess.com nach der letzten Runde sagte Yip: "Die zweite Hälfte des Turniers war total verrückt. Ich habe keine Ahnung, was da passiert ist."
Und was ist mit dieser Chess.com-Jacke, die sie getragen hat? Ist es eine Glücksjacke? "Auf jeden Fall. Ich werde sie bei allen zukünftigen Turnieren auch tragen," sagte Yip.
Yips Interview mit Nigarhan Gurpinar.
Die zweite Hälfte des Turniers war total verrückt. Ich habe keine Ahnung, was da passiert ist.
—Carissa Yip
Trotz ihrer Niederlage gegen Yip konnte Ju mit ihrem Turnier zufrieden sein. Sie war durch die Niederlage auf den dritten Platz zurückgefallen und lag vor dem direkten Duell einen halben Punkt hinter Kosteniuk, die allerdings mit einem Sieg in der letzten Runde noch Chancen hatte, Koneru abzufangen.
Es war das erste Mal, dass Ju das Berliner Endspiel spielte und es war eine absolut gelungene Premiere. Auf die Frage, wo genau Kosteniuk auf die Verliererstraße geraten war, sagte Kasparov: "Ich gebe keine Ratschläge zum Berliner Endspiel!"
Cairns Cup 2020 | Abschlusstabelle
| # | Land | Name | Elo | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 | Punkte | SB |
| 1 | Koneru, Humpy | 2580 | 2622 | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 6.0 | |||
| 2 | Ju Wenjun | 2583 | 2581 | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | ½ | 0 | ½ | 1 | 5.5 | |||
| 3 | Muzychuk, Mariya | 2552 | 2544 | 1 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 5.0 | 21.75 | ||
| 4 | Kosteniuk, Alexandra | 2504 | 2549 | 0 | 0 | 1 | 0 | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 5.0 | 19.75 | ||
| 5 | Harika, Dronavalli | 2518 | 2509 | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 4.5 | 21.5 | ||
| 6 | Lagno, Kateryna | 2552 | 2506 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | 4.5 | 19.5 | ||
| 7 | Krush, Irina | 2422 | 2480 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 1 | 0 | 4.0 | 19.25 | ||
| 8 | Yip, Carissa | 2412 | 2482 | 0 | 1 | ½ | 0 | ½ | 0 | 1 | 0 | 1 | 4.0 | 16.75 | ||
| 9 | Dzagnidze, Nana | 2515 | 2471 | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | 1 | 1 | 4.0 | 16.25 | ||
| 10 | Gunina, Valentina | 2461 | 2350 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | ½ | 1 | 0 | 0 | 2.5 |
Der Cairns Cup ist ein Round-Robin-Turnier für 10 Spielerinnen. Der Preisfonds beträgt $180.000. Er fand vom 7. bis zum 16. Februar im Saint Louis Chess Club statt.
Das nächste große Damenturnier ist der FIDE Damen Grand Prix vom 1. bis zum 14. März in Lausanne (Schweiz). Koneru wird dort leider nicht am Start sein, aber wir können uns auf Ju Wenjun, Aleksandra Goryachkina, Alexandra Kosteniuk und Anna und Maria Muzychuk freuen.
Alle wichtigen Turniere findet Ihr im Chess.com/Turnierkalender.
Tolle Fotos vom Turnier findet Ihr hier:
Und die Berichte zu allen einzelnen Runden hier:
- Humpy Koneru gewinnt den Cairns Cup
- Cairns Cup R8: Yip Beats Ju, Humpy Leads
- Cairns Cup R7: Muzychuk Beats Gunina
- Cairns Cup R6: Koneru Catches Ju, Yip Scores Again
- Cairns Cup R5: New Leaders After Round Without Draws
- Cairns Cup R4: Dzagnidze Maintains Lead, Yip Keeps Struggling
- Cairns Cup R3: Dzagnidze Leads
- Cairns Cup R2: Wins For Kosteniuk, Lagno, Muzychuk
- Dzagnidze, Koneru Score In Cairns Cup Opener
- Even Stronger 2nd Cairns Cup Starts Today
Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.
Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.
Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.
As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”
In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!
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