Grenke, Runde 3: Svidler schließt zu Carlsen auf
Viswanathan Anand stand nach eigener Aussage "die längste Zeit der Partie am Rande einer Niederlage", verteidigte aber glänzend alle Angriffe und rang Magnus Carlsen schließlich ein Remis ab. Dadurch konnte Peter Svidler, der die zweite Partie in Folge gewann, am dritten Tag der Grenke Chess Classics in Karlsruhe mit dem Weltmeister gleichziehen.
Auch wenn dieser Erfolg auf 2 Turniere aufgeteilt gewesen wäre (Shamkir und Grenke) verpasste Carlsen damit die Möglichkeit, "einen Caruana zu landen"—also sieben Partien in Folge zu gewinnen. 5 Siege in Folge hatte er bereits eingefahren bevor der 15. Weltmeister Anand die Serie stoppte.
Carlsen stand aber in dieser Partie ganz knapp vor dem Sieg. Sogar zweimal!
Anand unterlief im 10. Zug eine Art "mouse slip". Bis dahin folgte die Partie der ersten Tiebreak Partie aus der Weltmeisterschaft vom November und erreichte auch eine Stellung, die Svidler und Tomashevsky erst kürzlich in der Bundesliga auf dem Brett hatten.
Anand sagte, er hätte "einen Moment lang den Ball aus den Augen verloren", als er 10...c6 spielte.
Carlsen startete darauf sofort mit 11.f4! einen Bauernsturm am Königsflügel, der ihm einen großen Raumvorteil einbrachte. Die Engines bewerteten die Stellung zwischenzeitlich sogar mit +2 und auch wenn die meisten Experten diese Bewertung nicht nachvollziehen konnten war es offensichtlich, dass sich Anand in Schwierigkeiten befand.
Der indische Großmeister, der im Gegensatz zu Carlsen nach der Partie die Kommentatoren aufsuchte, gab zu, dass er zu diesem Zeitpunkt dachte, dass er verlieren würde. Der fünfmalige Weltmeister kämpfte aber wie ein Tiger und hielt die Partie am Leben. Dann unterlief ihm ein zweiter Fehler und er stand vor neuen Problemen.
"Ich dachte, ich hätte die Partie jetzt zum zweiten Mal verloren," sagte Anand über den Moment, als Carlsen 53.Lf2! spielte und der beeindruckende Miniplan, der bereits mit Kf2-g1 begonnen hatte und den Läufer auf das viel bessere Feld g3 bringen würde, ersichtlich wurde.
Looks familiar.... @vishy64theking @MagnusCarlsen #GRENKEchess pic.twitter.com/WS1yjM3KIh
— GRENKEChess 2019 (@GRENKEChess) April 22, 2019
Das kennt man doch irgendwoher
Anand sagte, dass er einfach keine Verteidigung finden konnte und nur überlebte, weil Carlsen nicht gesehen hatte, was er selbst sah: Die stärke des stillen Zuges 56.Kg2, wonach Schwarz völlig überraschend absolut hilflos ist.
Somit ist auch der 66. Vergleich zwischen den beiden Weltmeistern Geschichte. Carlsen führt das Duell weiterhin mit 12-8, bei nun 46 Remis, an.
Carlsen teilt sich den Platz an der Sonne nun mit Peter Svidler. Der Großmeister aus St. Petersburg kommentierte dies mit dem Satz: "Das ist mir ein Rätsel."
Er besiegte Georg Meier in dessen Paradeeröffnung, der französischen Verteidigung und das, obwohl er Svidler überraschte und anstatt der gewohnten Rubinstein-Variante eine extrem scharfe Linie wählte. Svidler fand aber am Brett eine Menge starker Züge.
Svidler war besonders zufrieden, dass es ihm gelungen war, ein Endspiel mit Türmen und verschiedenfarbigen Läufern zu gewinnen, denn genau bei diesem Endspiel hat er selbst schon einige schmerzhafte Niederlagen erlitten.
Seht Euch unbedingt seine letzten beiden Züge an. So grausam!
Levon Aronian (der wieder mit 1.e4 eröffnete) und Paco Vallejo spielten fast genau dieselbe Variante. Der einzige Unterschied war der Zug 12...a6, der aber ebenfalls zu einer endlosen Theorie führt.
Vallejo: "Diese Variante ist natürlich genauestens analysiert aber sich an alles zu erinnern ist ein wahrer Albtraum."
Aronian: "Ich mag Herausforderungen! Ich mag es, mich damit zu quälen."
Der Armenier gab auch zu, dass seine Vorbereitung auf diese Partie nicht optimal war: "Das ist immer so bei uns Profis: Wir bereiten uns auf alles vor, was nicht kommt!"
Und so folgten die beiden 23 Züge lang eine Shirov Partie aus dem letzten Jahr, ohne es zu wissen. Kurze Zeit später endete die Partie dann mit einem Remis.
Vincent Keymer muss jetzt verdauen, dass er drei gute Partien auf dem höchsten Level gespielt hat, aber trotzdem mit 0 Punkten dasteht. Wenn er bei diesem Turnier eines lernt, dann ist es, dass Schach grausam sein kann.
Am Montag stand er gegen Fabiano Caruana klar besser. Der Amerikaner sah das genauso: "Manchmal sah meine Stellung wirklich gefährlich aus."
Caruana hatte große Probleme, eine Stellung zu erreichen, in der er auf Gewinn spielen konnte. "Es scheint, dass er ein sehr solides Repertoire hat und im allgemeinen einfach gut spielt."
Hätte Keymer im 32. Zug Df4 gespielt (Caruana: "Darauf habe ich keine Antwort gesehen"), wäre er ganz knapp vor seinem ersten Sieg gestanden, aber stattdessen verlor er völlig den Faden. Sein Trainer Peter Leko hat Vincent sicher schon wieder aufgebaut, aber falls nicht, werden ihm Caruanas Worte sicher ein Trost sein:
"Er sollte über Kämpfe, die in Niederlagen enden, nicht traurig sein. Seine Partie gegen Magnus war doch normal. Es ist sehr leicht gegen ihn zu verlieren, selbst wenn man eine gute oder sogar sehr gute Stellung hat. Der Fakt, dass er gute Stellungen erreicht, große Kämpfe abliefert und sich Gewinnchancen erspielt, ist doch ein gutes Zeichen. Ich glaube, er sollte mit sich selbst nicht unzufrieden sein. Das Ergebnis ist ja nur ein Teil einer Partie."
Auch das Remis zwischen Maxime Vachier-Lagrave und Arkadij Naiditsch war hochinteressant. Der Franzose ist im Berliner Endspiel mit Weiß der gefährlichste Gegner der Welt und hatte seinen Gegner schon absolut überspielt.
MVLs Figurenopfer 25.Sf6+ war genial, aber die Fortsetzung war es nicht. Anstatt auf e6 zu nehmen wäre der Gewinn des h-Bauern die vielversprechendere Option gewesen. So endete die Partie aber mit einem (ziemlich schönen) Dauerschach.
Grenke Chess Classics 2019 | Tabelle nach der 3. Runde
# | Land | Name | ELO | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 | Punkte | SB |
1 | Svidler,Peter | 2737 | 2999 | ½ | 1 | 1 | 2.5 | 3 | ||||||||
2 | Carlsen,Magnus | 2845 | 2941 | ½ | 1 | 1 | 2.5 | 2 | ||||||||
3 | Caruana,Fabiano | 2828 | 2795 | ½ | ½ | 1 | 2.0 | 2 | ||||||||
4 | Anand,Viswanathan | 2779 | 2830 | ½ | ½ | 1 | 2.0 | 2 | ||||||||
5 | Vachier-Lagrave,Maxime | 2775 | 2773 | ½ | ½ | ½ | 1.5 | 2.5 | ||||||||
6 | Aronian,Levon | 2761 | 2677 | ½ | ½ | ½ | 1.5 | 1.5 | ||||||||
7 | Naiditsch,Arkadij | 2710 | 2638 | 0 | ½ | ½ | 1.0 | 1.5 | ||||||||
8 | Vallejo Pons,Francisco | 2698 | 2622 | 0 | ½ | ½ | 1.0 | 1.25 | ||||||||
9 | Meier,Georg | 2621 | 2612 | 0 | ½ | ½ | 1.0 | 1.25 | ||||||||
10 | Keymer,Vincent | 2509 | 2018 | 0 | 0 | 0 | 0.0 |
Die Paarungen der vierten Runde lauten:
Vallejo Pons 🇪🇸 gegen Anand 🇮🇳
Caruana 🇺🇸 gegen Carlsen 🇳🇴
Naiditsch 🇦🇿 gegen Keymer 🇩🇪
Meier 🇩🇪 gegen Vachier-Lagrave 🇫🇷
Aronian 🇦🇲 gegen Svidler 🇷🇺
Die ersten 5 Runden werden vom 20. - 24. April in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe ausgetragen werden. Nach einem Ruhetag zieht das Turnier dann in das Kulturhaus LA8 Museum in Baden-Baden um, wo vom 26. bis zum 29. April die restlichen Runden absolviert werden.
Die Bedenkzeit beträgt 100 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 50 Minuten für 20 weitere Züge und dann 15 Minuten für den Rest der Partie. Zusätzlich erhalten die Spieler einen Zeitbonus von 30 Sekunden pro Zug. Remisgebote vor dem 40. Zug sind verboten.
Die Partien beginnen immer um 15:00 Uhr Ortszeit.
Ihr könnt das Turnier hier auf unserer Event-Seite verfolgen. Die Partien werden auf Live Chess übertragen.
IM Levy Rozman wird von dem Turnier auf seinem Twitch Kanal GothamChess berichten.
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