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Isle of Man: Tarjan besiegt Kramnik im Kampf der Generationen

Isle of Man: Tarjan besiegt Kramnik im Kampf der Generationen

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

GM James Tarjan ist entweder 65 oder erst 3, je nachdem wie man es sieht. Auf jeden Fall war aber sein Schach gut genug, um den ehemaligen Weltmeister GM Vladimir Kramnik in der dritten Runde es 2017 Chess.com Isle of Man International Turniers zu besiegen.

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Was hat das jetzt aber mit seinem Alter auf sich? Nein, es hat nichts mit Quantenphysik zu tun. Man kann nur seine Schachkarriere in 2 Perioden unterteilen. Zuerst war er der beste amerikanische Spieler in den 70er Jahren und gewann bei mehreren Schacholympiaden Goldmedaillen in der Einzel- und der Mannschaftswertung.

Dann nahm er eine etwa 30 Jahre lange Auszeit vom Schach und arbeitete die meiste Zeit davon als Bibliothekar. Seit 3 Jahren spielt er aber wieder Schach und sein erstes Turnier "der Neuzeit" war sogar das "Isle Of Man Open 2014".

"Ich bin wirklich stolz auf mich," sagte Tarjan nach der phänomenalen Sensation. "Ich bin ja kein schlechter Spieler, aber seit ich von meiner Auszeit zurückkam, fühle ich, dass ich ständig besser werde. Ihr könnt in mir also ein vielversprechendes, 3 Jahre altes Schachtalent sehen."

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Einige Spieler lächelten, als GM Vladimir Kramnik kapitulierte. IM Lawrence Trent (blaues T-Shirt und Trainingsjacke) konnte es kaum glauben. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Tarjan stand schon kurz vor einer Niederlage und als er gefragt wurde, seine Emotionen zu Beschreiben, war er irgendwie sogar außer Atem. Einen Nachmittag lang durfte die jetztige Generation eine der Größen der ehemaligen Generation in Aktion erleben.

"Es war schon beeindruckend, wie ich mit ihm mithalten konnte. Und das in meinem Alter! Überraschenderweise fand ich immer wieder einen Zug, der mich rettete."

Obwohl diese Partie natürlich der Aufreger des Tages war, gab es noch weitere Überraschungen. In den beiden reinen Damenpartien der 1.5 Punkte Gruppe gewannen jeweils die Außenseiterinnen. Zuerst besiegte IM Nino Batsiashvili dank starker Zentrumsbauern GM Hou Yifan und dann gewann IM Jovanka Houska gegen GM Ju Wenjun, die einfach vergessen hatte auf die Schachuhr zu sehen, auf Zeit.

Um ein Haar hätte es aber heute eine ganz andere Schlagzeile gegeben denn GM Magnus Carlsen hatte am Vormittag ein kleines "Inselabenteuer" durchlebt. Carlsen erzählte dann Chess.com was passiert war und wir kommen dann später darauf zurück.

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Ein Hinweis auf Carlsen's Abenteuer: Dieser Zug fährt noch langsamer, als er aussieht! | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Der einzige Amerikaner, der bei allen 4 Ausgaben des Isle of Man Turniers mitgespielt hat, setzte heute ein Ausrufezeichen hinter sein Comeback. Nachdem er die längste Phase der Partie nur irgendwie versuchte zu überleben, stürzte er sich auf den Russen, nachdem dieser im Mittelspiel einen Fehler gemacht hatte. Kramnik versuchte eine strukturell gewonnene Stellung zu erreichen, aber übersah ein wichtiges Detail.

"Er will mit seinem starken Springer gegen meinen schlechten Läufer spielen," sagte Tarjan, "aber er hatte 31....Dxf1 und dann Le2 nicht bedacht. Diesen Trick hat er offensichtlich nicht gesehen."

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GM James Tarjan, der stärkste 3jährige der Welt! | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Vor diesem Zug hatte Tarjan nur versucht, nicht Matt gesetzt zu werden.

"Das war wie bei Muhammad Ali. Weißt Du, ein Rope-a-Dope," sagte Tarjan.

"Er spielt ja sonst nie gegen solche Patzer wie mich," sagte Tarjan. "Vielleicht war er überrascht, wie zäh die Partie verlief. Ich weiß es nicht."

Der fünfmalige Teilnehmer an Schacholympiaden, der seinem Land 1976 zum Gewinn der Goldmedaille verhalf, hat schon gegen andere 2700 Großmeister gespielt. Er verlor z.B. 1979 beim Kontinentalturnier gegen GM Mikhail Tal, aber das ist halt schon eine Weile her. Und da er nie gegen GM Bobby Fischer gespielt hatte, schlug er heute einfach einen anderen ehemaligen Weltmeister. In einer Beziehung sind die beiden ja ebenbürtig -- beide haben 2 olympische Einzelgoldmedaillen.

"Mach dir keine Sorgen und spiel einfach dein bestes Schach," sagte er über seine Einstellung für die heutige Partie. Das hat er heute gemacht und die anwesenden Zuschauer im Übertragungsraum applaudierten ihm, als er zum Interview erschien -- das war das erste Mal, dass einem Spieler diese Ehre zuteil wurde.

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Ein anderer Weltmeister hätte ihm aber fast die Schlagzeilen geklaut, auch wenn es nichts mit Schach zu tun hatte. Magnus Carlsen hatte sich schon vor dem Turnier erkundigt, wie man den höchsten Berg der Insel, den Sneafell besteigen könnte. Und so wollte er heute Vormittag das schöne Wetter ausnutzen und fuhr mit der elektrischen Bahn bis auf den Gipfel des Berges.

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Ein typischer Blick auf den Snaefell. Der Gipfel ist links von den Wolken verdeckt. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

In einem der seltenen Momente, in denen der Gipfel nicht von Wolken verhangen war, konnte Carlsen sehen, dass der Rest der Insel komplett von Wolken verdeckt war. Er stellte aber schnell fest, dass diese nicht das Hauptproblem sein sollte.

"Der Zug hätte 50 Minuten bis zum Gipfel fahren sollen, aber es dauerte eine Stunde und 20 Minuten," erklärte Carlsen. Und so hätte er es fast nicht bis zum Start der Partie um 13.30 Uhr zurückgeschafft.

In größter Zeitnot rief er den Turnierdirektor Alan Ormsby an und bat darum, mit einem Auto abgeholt zu werden, was dieser auch veranlasste. Carlsen stürmte in der Turniersaal und erreichte sein Brett 10 Sekunden, nachdem die Partien gestartet worden waren. Die Karenzzeit beträgt 30 Minuten, was bedeutet, dass ihn der Anruf höchstwahrscheinlich gerettet hat. Für seinen heutigen Sieg bekommt Manx Telecom wohl einen Assist Punkt.

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GM Jeffery Xiong's stolzer Vater schießt ein Foto von seinem Sohn, der gerade gegen den Weltmeister spielt. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Wie die Wolken, war auch die Partie nicht leicht zu durchschauen. Carlsen schien einen kleinen Vorteil zu haben, aber wir auf dem Berg zogen Wolken, in der Form eines Turms auf c3, auf. Da er dieses Problem nicht mithilfe seines Handys lösen konnte entschied sich Carlsen für einen spontanen Bauernsturm.

"Zuerst dachte ich, dass ich definitiv besser stehen würde und als ich sah, dass er in Zeitnot geriet, wollte ich es einfach versuchen," sagte Carlsen.

Auf die Frage, warum er sich im letzten Moment entschieden hatte, bei diesem Turnier mit zuspielen, wiederholte Carlsen seine Antwort, die er schon vor Beginn des Turniers gegeben hatte:

"Ich wollte nach dem Weltcup einfach noch spielen," sagte er. "Ich hoffte auf interessante Partien, aber außer den Resultaten waren sie bis jetzt nicht besonders gut. Besonders gestern stand ich einfach nur schlecht."

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Xiong unterhielt sich nach der Partie noch kurz mit Carlsen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Währenddessen setzt sich eine mathematisch unerklärliche Serie fort: GM Hou Yifan's nie-endende Auslosung gegen weibliche Gegner. Und heute brachte sie ihre sogar noch Unglück, denn der Favoritenschreck IM Nino Batsiashvili, die einmal sogar Carlsen ein Remis abrang, wies die Damenweltmeisterin in ihre Schranken.

Batsiashvili erscheint sogar zweimal in der Liste von Hou´s 10 weiblichen Gegnern in den letzten 13 Partien in Open-Turnieren (beim Isle of Man Turnier sind es bis jetzt 3 aus 3). Die Georgierin war nämlich auch die letzte Dame, gegen die Hou 2017 in Gibraltar gelost wurde, bevor die Chinesin ihre vielleicht berühmteste Partie spielte.

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GM Hou Yifan spielt die ersten Züge in der Unglückspartie gegen IM Nino Batsiashvili. | Foto: John Saunders/Chess.com Isle of Man International.

Batsiashvili sagte kurz vor der Partie zu Chess.com, dass ihr der ganze Wirbel um die Auslosung und die Abneigung von Hou Yifan gegen andere Frauen zu spielen, vielleicht einen kleinen psychologischen Vorteil verschaffen würde.

Und hier könnt ihr euch ansehen, was Batsiashvili nach der Partie gesagt hat:


Durch diese Niederlage fiel Hou in eine schwächere Gruppe zurück und damit stieg die Chance, dass sie erneut gegen eine Frau gelost wird. Und genau das ist wirklich passiert! Die Schiedsrichter haben die Paarungen mit 2 verschiedenen Programmen überprüft, um sicherzustellen, dass ja kein Fehler passiert ist, aber dann gaben sie bekannt, dass Hou Yifan in der vierten Runde gegen WGM Yuliya Shvayger spielen wird. Und allen, die jetzt eine Verschwörung wittern, sei gesagt: So einfallslose Verschwörungen gibt es nicht! Es ist sicher ungewöhnlich, aber es gibt Null Beweise für irgendeine Manipulation.

Der anderen Hälfte der chinesischen Delegation erging es nicht besser und auch hier saß eine Frau auf der anderen Seite des Tisches: GM Ju Wenjun, die zweite Chinesin im Teilnehmerfeld, verlor überraschend gegen IM Jovanka Houska.

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IM Jovanka Houska, die immer noch nicht glauben kann, dass sie vor dem Turnier fast 130 Kilometer gewandert ist, fühlte sich heute sehr müde. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

In einer sehr statischen Stellung hätte die Nummer 2 der Weltrangliste der Damen nur noch 3 Züge machen müssen um den 40. Zug zu erreichen, aber sie vergaß völlig auf ihre Bedenkzeit zu achten. Die britische Nummer 1 der Damenrangliste war anschließend nicht Stolz auf ihren Sieg, aber sie nimmt ihn natürlich trotzdem an.

Houska spricht mit Chess.com über ihre Partie und ihre Vorbereitung auf das Turnier:

GM Aleksandr Lenderman hat seine tolle Form von Weltcup mit auf die Isle of Man gebracht. Nachdem er dort für zwei Überraschungen sorgte (er eliminierte GM Pavel Eljanov und GM Aryan Tari) und fast noch gegen GM Maxime Vachier-Lagrave gewonnen hätte, ist sein Sieg über GM Francisco Vallejo höchstens noch eine "kleine Sensation".

Während in Tiflis das Endspiel Dame gegen Turm zum Markenzeichen des Turniers wurde, erinnert Lenderman daran, dass Turm und Läufer gegen Turm viel öfters aufs Brett kommt. Lernt es!


GM Alexandra Kosteniuk hätte dann noch fast eine Sensation geschafft, aber die "Schachkönigin" ist einfach keine "Endspielkönigin" und GM Arkadij Naiditsch konnte sich in ein Remis retten.

Vor der heutigen Runde gab es noch 20 Spieler, die ohne Punktverlust waren. Nach der Runde sind es noch 4. Carlsen und Lendermann gehören dazu, genauso wie Eljanov. Der vierte Spieler mit 3 Punkten, GM Rustam Kasimdzhanov wird morgen mit Weiß gegen Carlsen antreten.

Der Usbeke wird dann vielleicht von seinem Schüler, der einen halben Punkt hinter ihm liegt, auf die Partie vorbereitet: GM Fabiano Caruana. Die Paarung Lenderman-Eljanov ist aber nicht weniger interessant, denn die beiden trafen schon beim Weltcup aufeinander.

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"Hast Du deiner Frau geholfen, mich in der ersten Runde zu besiegen?" ..."Ich weiß gar nicht von was Du sprichst!" | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die Paarungen der 4. Runde findet ihr hier.

2017 Chess.com Isle of Man International | Tabelle nach der 3. Runde, Top 23

Platz Gesetzt Titel Land Name ELO Punkte
1 1 GM Carlsen Magnus 2827 3
8 GM Eljanov Pavel 2734 3
18 GM Kasimdzhanov Rustam 2676 3
46 GM Lenderman Aleksandr 2565 3
5 3 GM Caruana Fabiano 2799 2,5
4 GM Anand Viswanathan 2794 2,5
5 GM Nakamura Hikaru 2781 2,5
6 GM Adams Michael 2738 2,5
12 GM Vidit Santosh Gujrathi 2702 2,5
14 GM Short Nigel D 2698 2,5
20 GM Movsesian Sergei 2671 2,5
26 GM Fressinet Laurent 2657 2,5
27 GM Granda Zuniga Julio E 2653 2,5
28 GM Grandelius Nils 2653 2,5
31 GM Shirov Alexei 2630 2,5
32 GM Bok Benjamin 2620 2,5
33 GM Sethuraman S.P. 2617 2,5
41 GM Tari Aryan 2588 2,5
49 GM Deac Bogdan-Daniel 2559 2,5
55 GM Swapnil S. Dhopade 2532 2,5
56 GM Harika Dronavalli 2528 2,5
68 IM Batsiashvili Nino 2472 2,5
98 IM Houska Jovanka 2393 2,5

Das Chess.com Isle of Man International ist ein 9 Runden Elite Turnier. Es beginnt am 23. September und dauert bis zum 1. Oktober. Die Bedenkzeit beträgt 100 Minuten für die ersten 40 Züge, dann 50 Minuten für die nächsten 20 Züge und 15 Minuten für den Rest der Partie zuzüglich 30 Sekunden pro Zug. Das Preisgeld beträgt £133,000 wobei £50,000 an den Sieger gehen. Alle Partien der ersten 8 Runden beginnen um 14.30 Uhr, nur die letzte Runde startet bereits um 13.00 Uhr. Das Turnier wird täglich und kostenlos, mit Kommentaren von GM Simon Williams und WIM Fiona Steil-Antoni live auf Chess.com/TV übertragen.


Zum weitersurfen:

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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