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Mein liebstes U.S. Schachmagazin: Teil 2

Mein liebstes U.S. Schachmagazin: Teil 2

Silman
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CHESS LIFE

Chess Life, hat natürlich gute und weniger gute Zeiten durchlebt; in den späten 1970er Jahren kam es zu einer Reduzierung der Seitenzahl, weil das Karriereende von Fischer zu Sparmaßnahmen führte. Diesen Sparmaßnahmen fielen auch einige Kolumnisten zum Opfer und Chess Life konnte danach nie mehr an seine glorreichen Zeiten anknüpfen.

Wir befassen uns jedoch mit den besten Jahren - 1961 bis zur Fusion (Chess Life und Review) Ende 1969. Um zu zeigen, was Chess Life zu bieten hat, habe ich nach dem Zufallsprinzip ein Jahr gewählt und dabei das Jahr 1962 gezogen. Das ist nun wirklich schon lange her und ich war aufgeregt zu sehen, was sich in den Ausgaben von 1962 verbirgt.

Ich möchte aber noch anmerken, dass die folgenden Zitate die Notizen der Autoren von Chess Life sind.

Chess Life magazine

Ein Cover des modernen Chess Life.

Spass von Anfang an

Ich musste nicht lange suchen, um viele interessante Sachen zu finden: INTERNATIONALE TURNIERE: Die neuesten Partien, vorgestellt von Meister Leonard Barden. Bardens riesige Kolumne (auf den Seiten fünf und sechs) beinhaltete einen Technik-Teil, "wo hat Schwarz einen Fehler begangen" und den Großmeister Zirkus. Obwohl er nicht der beste Analytiker der Welt war, ist es klar, dass Barden alles versucht hat, um in jeder seiner Kolumnen etwas Interessantes und Besonderes zu bieten.

Ich wollte ja zuerst den Technik-Teil vorstellen, aber der Großmeister Zirkus ist einfach unwiderstehlich!

Großmeister Zirkus

Barden: "Gelegentlich verhalten sich Großmeister wie Dummköpfe, übersehen Gewinne und enthüllen gewöhnliche menschliche Schwächen. Wie in der nachstehenden Partie, ist die übliche Erklärung dann immer die Zeitnot, aber das muss uns nicht daran hindern, die Fehler dieser Partie zu genießen."

"Zum Ärger von Smyslov, versammelten sich die anderen Großmeister sofort nach Partieende um das Brett und wiesen ihn darauf hin, dass er in der Schlussstellung einen klaren Gewinn übersehen hatte."

PUZZLE 1

Barden forderte die Leser auf, den Gewinn zu finden. Wollt ihr diese Herausforderung annehmen?

RESHEVSKY ZEIGT, WER DER BOSS IST

WIE MAN SCHACHPARTIEN GEWINNT heißt die Kolumne von Großmeister Samuel Reshevsky.

In seiner Kolumne dreht sich eigentlich alles über positionelles Schach. Die meisten Spieler  lieben ja Angriffe oder Taktiken und genau deshalb sind solche Partien pures Gold. Denn ohne ein strategisches Knowhow wird man nicht weit kommen. Hier ist eine Partie aus der Jänner-Ausgabe mit dem Titel "Ohne Gegenspiel".

Reshevsky: "Die folgenden Varianten der Königsindischen Verteidigung sind auch heute noch von großem Interesse. Mein Plan hinter 8.Le3 war, meinen Gegner dazu zu verleiten, ein paar Tempi zu gewinnen, aber dadurch seinen Königsflügel zu schwächen. Ich gab meinen Königsläufer für einen Springer auf und erlangte dadurch die zeitweilige Kontrolle über die f-Linie."

"Als mein Gegner bemerkte, dass sein Läufer in seiner Beweglichkeit eingeschränkt war, tauschte er ihn gegen meinen Königsspringer. Ich neutralisierte Najdorfs Aktivität am Königsflügel und reduzierte sein Spiel auf vollständige Passivität. Das Hauptproblem von Schwarz war nun sein unbeweglicher Königsläufer. Im 21. Zug begann ich mit dem Angriff auf dem Königsflügel. Der Vormarsch der Damenbauern war eine ernsthafte Bedrohung."

"Ich schaffte es, meinen Bauern auf c6 zu bringen und Najidorfs Versuch ein Gegenspiel zu bekommen, blieb ohne Erfolg. Er war schließlich gezwungen, eine Figur für den fortgeschrittenen Bauern zu opfern. Da er aber auch danach noch kein Gegenspiel hatte, gab er auf."


Wer gerne Partien dominiert, ohne dabei ein allzu großes Risiko einzugehen, der sollte sich unbedingt mit Reshevsky’s Partien befassen.


UND MEHR

Das war bereits eine ganze Menge, aber es kommt noch besser: SCHACHTAKTIK FÜR ANFÄNGER von Dr. Erich W. Marchand und John W. Collins (ein enger Freund von Fischer, Lombardy, den Byrne Brüdern, usw.) Kolumne, PARTIEN VON USCF MITGLIEDERN. Dann folgt eine "Erholungsphase" in der Ergebnisse und Tabellen der neuesten Turniere gezeigt werden. Dabei entdeckte ich, dass Robert Byrne die offene US Schnellschachmeisterschaft mit 8 Siegen aus 8 Partien gewonnen hatte. Gegen 3 seiner damaligen Gegner habe ich übrigens später selbst gespielt (Bisguier, Gross, and Loftsson).


DER MYSTERIÖSE DIMITRIJE BJELICA

Danach schrieb der bekannte (und überaus produktive) Schachschriftsteller Dimitrije Bjelica (ein Serbe, der 1935 geboren wurde) einen Artikel über Lisa Lane (geb. 1938) und Gisela Greaser (geb. 1906). Lisa war zwar eine Freundin von Fischer, aber das hinderte Fischer nicht daran, weibliche Schachspieler niederzumachen. Er sagte: "Sie sind alles Fische. Lisa ist vielleicht der beste der amerikanischen Fische." Gisela Gresser beherrschte viele Jahre das Frauenschach und gewann neun nationale Titel.

Hier ist ein Auszug seines Artikels: "Lisa Lanes erster Besuch in Jugoslawien war eine echte Sensation. Als sie am Flughafen in Belgrad ankam, dachten wir, sie wäre ein Filmstar aus Hollywood. Jeder hat sie anhand von Zeitungsfotos erkannt. Die jugoslawischen Schachkolumnen schrieben oft über die junge, schöne Frau, die Großmeister werden wollte."

"Als sie Sarajevo besuchte, kamen über fünfhundert Menschen zum Schachclub um sie zu sehen. "Jeder hat eine Million Ausreden, wenn er seine Ziele nicht erreicht", sagte Lisa.

Leider hat sie ihre Ziele aber auch nicht erreicht. Ich glaube jedoch, ihre Berühmtheit hat viele Frauen davon überzeugt, nach den Sternen zu greifen. Und wie wir jetzt sehen, gibt es heute viele Frauen, die tatsächlich IM- und GM-Titel tragen und vielleicht hat Lisa daran einen Anteil.

Jetzt weiche ich von Bjelica’s Artikel ab, denn ich möchte zitieren, was Eliot Hearst und John Knott über Bjelica’s Rekord von 56 simultan gespielten Blindpartien am 25. Mai 1997 sagten (vielleicht sollte ich zuerst noch erwähnen, dass die beiden auch ein fantastisches Buch mit dem Namen "Blindschach" geschrieben haben"):

"Die Veranstaltung fand im Rahmen eines internationalen Krankenschwestern-Kongresses statt und all seine Gegner waren Krankenschwestern. Die eine Partie, die er verlor, war gegen seine Mutter, die damals 80 Jahre alt war. Bjelica berichtet, dass die Veranstaltung sieben Stunden dauerte und dass in mehreren Partien eine von ihm erfundene Schachversion, die er "Friedensschach" nennt, gespielt wurde. Dabei stehen auf den Feldern f1 und f8 keine Läufer, sondern Bauern. Ferner erzählte er uns, dass zwar keiner seiner Gegner ein Rating hatte, aber einige von ihnen sehr gut gewesen sein." Und dann gab er auch noch zu, dass er sich während der Partien aufschreiben durfte, was er wollte.

Auf jeden Fall ist der Mann ziemlich erstaunlich. Er hat 80 Bücher und 55 Videos verfasst und seine Artikel sind immer lesenswert.

chess life 1962

Die Chess Life Ausgabe vom November 1962. Bild via eBay. 


DARF ICH DIR AUS DER HAND LESEN?

Am Ende der Jänner 1962 Ausgabe wurde noch über alles mögliche berichtet. So wurde über das berühmte Foto von Bobby Fischer, bei dem er aus der Mikhail Tals Handflächen liest diskutiert. Fischers Hobby war ja wirklich das Handlesen und nachdem er Tal's Handflächen ansah, sagte Fischer: "Der nächste Schachweltmeister wird ... [ein Augenblick der Stille] Bobby Fischer ! "Daraufhin begannen alle im Raum zu lachen.

All das war von der Ausgabe vom Jänner 1962. Wenn wir uns die anderen Ausgaben von 1962 ansehen, entdecken wir noch den Artikel LARRY EVANS ÜBER SCHACH (Februar-Ausgabe), wo er die Einzelheiten des Caro-Kanns erklärt. COLLEGE SCHACH von Peter Berlow und alle Partien des Lessing J. Rosenwald-Turniers (New York 1961-62).

WILLIAM LOMBARDY BOHNERT POESIE

LECKERBISSEN AUS MEISTERPARTIEN von GM William Lombardy.

Der Robin Hood des Schachs?

"Im Sherwood Forest ist es schwierig, die Bäume zu unterscheiden, und man weiß nie, wer sich hinter der nächsten mächtigen Eiche verstecken könnte. Ein wohlhabender Edelmann, der die einsame Waldstraße entlang reist, könnte plötzlich mit Little John, der aus dem Schatten eines Baumes tritt, konfrontiert werden. Mit seiner Kraft erzwingt er sein Ideal - die Reichen zu berauben um das geraubte den Armen zu geben.

"Zum gleichen Zweck wurde die Schlacht von Hastings, das Weihnachtsturnier von 1961, ausgetragen. Gegen die ausgezeichneten fremden Invasoren stellten die Briten ihre stärksten Spieler auf. Der berühmte Penrose, die hartnäckigen Verteidiger Barden und Wade und der wenig bekannte John Littlewood lauerten an ihren Brettern und warteten geduldig auf den geringsten Fehler der Invasoren.

Kein einziger Engländer erfüllte seine Mission getreuer als John Littlewood. Er rang nicht nur dem ehemaligen WM-Herausforderer Salo Flohr, sondern auch den beiden Großmeistern Gligoric und Bisguier ein Remis ab. Obwohl seine enttäuschende Punktzahl von 4,5 ihm keinen Platz im Spitzenfeld ermöglichte, muss dies als eine großartige Leistung betrachtet werden.

"Die Frage bleibt, ob Littlewood unterschätzt wurde, oder ob er wirklich ein Kandidat für eine Weltmeisterschaft sein könnte. Wenn die Spieler von Hasting die folgende Partie gesehen hätten, hätten sie sich wahrscheinlich für Letzteres entschieden. Die Partie, die beim Clare Benedict Team Turnier im April 1961 ausgetragen wurde, zeigt einen temperamentvollen Angriffsstil, kombiniert mit einem guten Gefühl für Positionsspiel. "

Ich glaube, dass ihr nur den Kopf schütteln werdet, wenn ihr die obigen Zeilen ein zweites mal lest, aber hier ist auf jeden Fall endlich die Partie, die ich so umständlich angekündigt habe:

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Ich schrieb, dass 39.Da4 ein Fehler von Weiß gewesen sei. Im nachstehenden Puzzle könnt ihr mit Schwarz diesen Zug widerlegen.

PUZZLE 2

Dieses Puzzle ist wirklich schwierig und wenn ihr die ersten beiden Züge findet, könnt ihr echt Stolz auf euch sein


In seinen späten Jahren wurde William Lombardy zu einem echten Charakter und obwohl er an der Westküste und ich an der Ostküste lebte, haben wir uns immer wieder getroffen. Als sein Buch Understanding Chess: My System, My Games, My Life (Schach verstehen: Mein System, Meine Partien, Mein Leben) erschien, übersandte er mir ein Exemplar mit den Worten: "Lieber Jeremy. Deine literarischen Beiträge zum Schach sind grandios und einfach und Großmeisterlich. Und das sage ich nicht zu jedem Arsch!" Typisch Lombardy!


BOTVINNIK, TAL UND FISCHER

Während ich mich weiter durch die Ausgaben von 1962 blättere, präsentieren sich mir immer mehr Wunder. Eines ist die Siegesfeier von Fischer, der gerade das Interzonen-Turnier mit dem unglaublichen Ergebnis von 17,5-4,5 gewonnen hatte. Botvinnik gab zu, dass er gerne etwas Preiselbeersaft trank, wenn er das Gefühl hatte, in einer Partie besser zu stehen. Beim Leipziger Mannschaftsturnier wurde er jedoch zum schwarzen Kaffee bekehrt. Harry Golombek, der britische internationale Meister, der bei Botvinniks letztem Titelkampf Richter gewesen war, erzählte Barden, dass Botvinnik während des zweiten Tal-Matches regelmäßig nach drei Stunden seinen Kaffee trinken würde. Weaver Adams besprach das völlig wahnsinnige Adams Gambit und IM Raymond Weinstein teilte seine Analyse über die Königsindische Verteidiung.

Jetzt komme ich aber zum Ende. Wir sind ja noch nicht einmal bei der April-Ausgabe! Wenn ihr jetzt noch bedenkt, dass alle Ausgaben mit wunderbaren Fotos gefüllt sind, wisst ihr, dass ihr wirklich viel für euer Geld bekommt. Oder wollt ihr noch etwas mehr? Dann habe ich hier noch ein Interview, das D. Andric mit Tal und Fischer im Rahmen des Bled-Turniers geführt hat:

TAL: "Heutzutage gibt es keinen absoluten Schachweltmeister, sondern mindestens zehn Top-Spieler von ungefähr gleicher Stärke: Botvinnik, alle vier russischen Teilnehmer in Bled (Tal selbst, Keres, Petrosian und Geller), Kortschnoi, Smyslov, Spassky, Fischer, Reshevsky und Gligoric. Jeder von ihnen könnte eines der stärksten Turniere aller Zeiten gewinnen. "

D. ANDRIC: Einige der Teilnehmer des Turniers überredeten Fischer, in der Hoffnung sich auf seine Kosten amüsieren zu können, abends in einem Nachtclub in Bled zu singen. Sie wurden jedoch zum Staunen gebracht, als er eine Reihe von Rock'n'Roll-Songs attraktiv und gut sang.

FISCHER: “Mein eigentliches Talent liegt ja nicht im Schach, sondern in der Musik: Ich habe das auch irgendwo in mein Tagebuch geschrieben. Großmeister Smyslov, der ja selbst ein Opernsänger sein könnte, hat mir bestätigt, dass ich eine gute Stimme habe und den Rhythmus habe ich sowieso.”

Nächste Woche schließe ich diese dreiteilige Serie mit einem Blich auf die Chess Review ab.

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