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Warum denken Großmeister so viel nach?
Do grandmasters overthink things sometimes?

Warum denken Großmeister so viel nach?

Silman
| 54 | Andere

Kurniadigautama: „Hallo IM Silman, ich hoffe, es geht Dir gut, egal wo Du bist und was Du gerade machst. Ich habe eine einfache, aber ziemlich verwirrende Frage. Warum nehmen Großmeister immer mehr Zeit in Anspruch als nötig, um einen Zug in einer Eröffnung zu spielen? Ich weiß, dass sie versuchen könnten, es Vorbereitung zu nennen, die Schwäche ihres Gegners herauszufinden, Probleme aufzuwerfen und so weiter. Aber einige sind (für mich persönlich) geradezu lächerlich.

Im nachstehenden Beispiel dachte Schwarz [GM David Anton Guijarro] fast 12 Minuten über den Zug …b5 nach!”

JS: Es sieht zwar so aus, als ob …b5 ein einfacher Zug wäre, aber es gibt viele Dinge, über die Schwarz hier nachgedacht haben könnte:

  • Hat mein Gegner diese Stellung schon mal auf dem Brett gehabt?
  • Habe ich in dieser Stellung schon mal gewonnen oder verloren?
  • Vielleicht hat er aber auch einfach "ein Gespenst" gesehen und sich vergewissert, dass …b5 kein Fehler ist.
Anish Giri
Anish Giri in Gedanken versunken. Foto: Maria Emelianova
  • Manchmal gerät auch ein starker Spieler in eine Variante, die er nicht genau kennt (egal mit welcher Farbe). Wenn das passiert, sollte er viel Zeit dafür verwenden, sich zu vergewissern, dass die Variante spielbar ist.
  • Natürlich hätte Schwarz alle möglichen Gedanken haben können und 12 Minuten sind auch kein Beinbruch, wenn man genügend Zeit auf der Uhr hat. Gute Spieler führen einen Zug erst aus, wenn sie sich sicher sind, dass es keine Taktik gibt und nachdem Sie das Gefühl haben, dass alles in Ordnung ist.
  • Vielleicht hat sich Schwarz die Stellung auch nur zum Spaß angesehen. Ja, ab und zu habe ich mir viele Optionen angesehen, obwohl ich mich schon ziemlich sicher entschieden hatte, was ich tun werde. Und warum auch nicht?

Schauen wir uns eine Partie zwischen GM Wei Yi und GM Ian Nepomniachtchi an. Weiß war am Zug und die Stellung war komplex. Laut Frau Kurniadigautama hatte Wei zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Minuten verbraucht!

Denkst Du jetzt immer noch, dass Großmeister zu viel Zeit verbrauchen? Das solltest Du nicht. Wenn Du viel Zeit hast, dann BENUTZE SIE!

Hier sind einige meiner Gedanken bezüglich der Bedenkzeit:

  • Vielleicht hast Du alle Nuancen einer Stellung gelernt und erkennst, dass Dein Gegner ziemlich glücklich zu sein scheint. In diesem Fall hat Dein Gegner möglicherweise einen neuen Zug gefunden oder eine neue Idee entwickelt. Dann solltest Du (oder MUSST Du) einen langen Blick darauf werfen und herausfinden, was Dein Gegner gefunden oder vorbereitet hat.
  • Sehr starke Spieler haben eine Menge harte Arbeit und viel Zeit am Schachbrett investiert, aber sie versuchen immer noch, sich zu verbessern.
Ian Nepomniachtchi, Chess
"Was?! Du dachtest, ich würde blitzen?" hat Ian Nepomniachtchi hier vielleicht gesagt. Foto: Maria Emelianova

Brauchst Du noch mehr Gründe? Okay!

Auch ein Großmeister kann eine Variante vergessen.

Das passiert sogar ziemlich oft. Ein Großmeister wird die beste Variante aber auch am Brett finden, nur kostet das eben Zeit.

Du hast nicht aufgepasst.

Wenn Du nicht aufpasst, können Dir schwere Fehler unterlaufen.

Du hast eine gewonnene Stellung und willst Deinen Gegner so schnell wie möglich vom Brett fegen, um Zeit mit Deinen Freunden verbringen zu können.

MACH DAS NICHT! Träumereien enden oft in einer Katastrophe!

Du spielst den erstbesten Zug.

Selbstmord-Schach!

Hier sind einige Beispiele, bei denen ich zu schnell gezogen habe. Das Problem war, dass ich sehr oft viel zu schnell gezogen habe! Ich muss aber vielleicht dazusagen, dass ich damals erst 18-21 Jahre alt war. Schnelle Züge sind ein Gift und ich habe viel davon getrunken. Hier sind einige Beispiele, bei denen ich viel zu schnell gezogen habe:

Partie 1

Partie 2

Noch eine gewonnene Stellung - noch ein Pfusch!

Partie 3

Du spielst zu schnell. Wenn Du langsamer spielen würdest, wärst Du viel besser.

Nach all der Qual meines „schnellen Remis“ fragte ich einen Freund, warum ich meine Partien so oft verpfusche. Er sagte: "Du spielst zu schnell. Wenn Du langsamer spielen würdest, wärst Du viel besser!"

Er hatte recht. Als ich begann langsamer zu spielen und über jeden Zug genau nachzudenken, stieg mein Rating um 200 Punkte.

Werfen wir einen Blick darauf, was passiert, wenn Großmeister oder Internationale Meister in einer klassischen Partie anfangen zu blitzen:

Partie 4

Traue keiner Eröffnung, die Du nicht kennst!

Partie 5

Da hängt doch was.

Partie 6

Jeder Zug gewinnt.

Was die zig Amateurspieler betrifft, die einfach nur Spaß haben wollen, na ja ... Spaß ist großartig, aber wenn man immer wieder verliert, wird das Spiel zur Qual. Man kann seinen Ärger natürlich verbergen, lachen und die Figuren wieder aufbauen. Wenn Ihr damit zufrieden seit, dann zieht weiter so schnell wie Ihr könnt.

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