Anna Ushenina gewinnt die Damen Speed Chess Championship
GM Anna Ushenina hat am Montag das Superfinale der FIDE Chess.com Damen Speed Chess Championship gewonnen. Die ukrainische Großmeisterin besiegte "Chessqueen" Alexandra Kosteniuk in einem extrem spannenden Finale, das am internationalen Schachtag ausgetragen wurde, nach hartem Kampf mit 14.5 : 13.5.
Das Finale war der Höhepunkt dieses von FIDE und Chess.com gemeinsam organisierten Damen-Events, das zwischen dem 18. Juni und dem 20. Juli stattfand. Auf sechs Turniere im Schweizer System mit Playoffs folgten vier Grand-Prix-Turniere, aus denen schließlich Kosteniuk und Ushenina als Siegerinnen hervorgingen.
Das dreistündige Finale am Montag war dann das würdige Ende ihrer langen Reise. Das Format war das gleiche wie bei der regulären Speed Chess Championship: 90 Minuten lang 5+1 Partien, 60 Minuten lang 3+1 Partien und 30 Minuten lang 1+1 Partien.
Das Finale in voller Länge.
Die Finalistinnen, beides ehemalige Damen-Weltmeisterinnen, saßen sich vor diesem Online-Duell bereits 25 Mal an Schachbrettern gegenüber. Kosteniuk hat die etwas bessere Bilanz: Für die Russin stehen 3 Siege und 2 Niederlagen (bei 9 Remis) im klassischen Schach und 5 Siege und 2 Niederlagen (4 Remis) bei kürzeren Bedenkzeiten zu Buche.
Ushenina hatte das erste Grand-Prix-Turnier gewonnen und beim zweiten das Finale erreicht. Bei ihrem dritten Auftritt kam sie jedoch nicht über das Viertelfinale hinaus und musste deshalb bis zum Schluss um die Finalteilnahme zittern. Kosteniuk hat nach zwei dritten Plätzen das letzte Turnier gewonnen und sich damit letztendlich sicher für das Finale qualifiziert.
Nachdem alles vorbei war, gab die Siegerin ihre Strategie preis: "Ich wollte solide spielen, weil Alexandra eine sehr gute Spielerin ist und ich wusste, dass sie gerne angreift. Sie mag Stellungen, in denen sie Angriffschancen hat und in denen man rechnen muss. Also habe ich versucht, genau diese Stellungen zu vermeiden."
Das Finale begann mit einem Remis und dann war es Kosteniuk, die sich mit zwei Siegen in Folge eine frühe Führung erspielen konnte. Nach 2 weiteren Remis und 2 Siegen für jede Spielerin hatte die 2 Punkte Führung der Russin auch am Ende des ersten Drittels bestand.
Hier ist Kosteniuks erster Sieg. Ushenina hatte im frühen Endspiel die besseren Chancen, aber als beide Spielerinnen weniger als 10 Sekunden auf der Uhr hatten, kam sie ins Straucheln.
Die fünfte Partie hatte ein ganz seltenes Ende, denn insgesamt befanden sich 4 Damen auf dem Brett. Obwohl die vierte Dame für das Ergebnis irrelevant war (Weiß hatte bereits eine erzwungene Schachmatt-Sequenz), ist das doch immer etwas Besonderes und schön anzusehen:
Ergebnisse der 5+1 Partien
Land | Name | Benutzername | Rtg | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | Punkte |
Alexandra Kosteniuk | @ChessQueen | 2687 | 2759 | ½ | 1 | 1 | 0 | 1 | ½ | 0 | 1 | ½ | 5.5 | |
Anna Ushenina | @Enki007 | 2681 | 2609 | ½ | 0 | 0 | 1 | 0 | ½ | 1 | 0 | ½ | 3.5 |
Im zweiten Drittel verwandelte Ushenina das Zwei-Punkte-Defizit sofort in einen Ein-Punkt-Vorsprung, indem sie die ersten drei 3+1 Partien gewann. Jetzt hatten wir ein Match!
In der restlichen Stunde gewann Kosteniuk drei Partien und Ushenina zwei. Damit war das Ergebnis wieder ausgeglichen und wir gingen mit einem Spielstand von 9.5 : 9.5 ins letzte Drittel. Die letzte 3+1 Partie hatte ein verrücktes Ende, in dem beide Spielerinnen völlig verwirrt waren:
Ergebnisse der 3+1 Partien
Land | Name | Benutzername | Rtg | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | Punkte |
Anna Ushenina | @Enki007 | 2679 | 2759 | 1 | 1 | 1 | ½ | 0 | 0 | 1 | 1 | ½ | 0 | 6.0 | |
Alexandra Kosteniuk | @ChessQueen | 2689 | 2609 | 0 | 0 | 0 | ½ | 1 | 1 | 0 | 0 | ½ | 1 | 4.0 |
Je kürzer die Bedenkzeit wurde, desto besser ging es Ushenina. Sie gewann die erste und dritte Bulletpartie und hielt ihre Zwei-Punkte-Führung mit vier Remis bis 5 Minuten vor Ende fest.
Wenn Kosteniuk noch eine Chance haben wollte, musste sie jetzt wirklich wieder anfangen zu gewinnen. Und genau das tat sie! Mit zwei Siegen in Folge in den Partien 26 und 27 konnte sie den Spielstand eine Minute und 12 Sekunden vor Ende wieder ausgleichen und jetzt hing das gesamte Finale an einer Partie.
In einer wilden Endphase schien sich eine Zugwiederholung anzubahnen und die Kommentatoren GM Anna Muzychuk und GM Robert Hess diskutierten schon über ein Playoff.
In der Hitze des Augenblicks entschied sich Ushenina aber dann zum weiterspielen. Eine logische Entscheidung, da sie diese Stellung niemals verlieren konnte und nur das "Risiko" einging, diese Partie nicht zu gewinnen. Kosteniuk machte dann einen "Visualisierungsfehler", der wie ein Mausslip aussah, aber - wie Kosteniuk später in einem Tweet enthüllte - keiner war. Das Ergebnis war das gleiche: Sie hat einen Turm eingestellt und Ushenina ist der neue Champion.
it was not a mouse slip, I thought my queen was on e3 :) https://t.co/cjh8P000Gk
— Alexandra Kosteniuk (@chessqueen) July 20, 2020
Kosteniuk gibt auf Twitter zu, dass ihr Turmeinsteller kein Mausslip war
Die Computeranalyse zeigte dann, dass dieser Fehler aber nicht mehr entscheidend war, denn Kosteniuk hätte auch nach jedem anderen Zug verloren. Viel schwieriger war aber die Tatsache zu schlucken, dass die Partie noch wenige Züge zuvor absolut gewonnen war.
Ergebnisse der 1+1 Partien
Land | Name | Benutzername | Rtg | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | Punkte |
Anna Ushenina | @Enki007 | 2551 | 2546 | 1 | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | 0 | 0 | 1 | 5.0 | |
Alexandra Kosteniuk | @ChessQueen | 2507 | 2512 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 0 | 4.0 |
Ushenina said she hadn't been sure at all about whether she would make it to the match: "I was happy that I qualified because after my last leg I didn't think I had chances to qualify. I was just happy that I would play in the final."
Her general strategy was simple but effective: "I just tried not to lose pieces in one move, you know. Because after some time I got tired so I just told myself: try not to lose a piece in now move, that will be the best."
Ushenina sagte, sie sei sich überhaupt nicht sicher gewesen, ob sie es bis ins Finale schaffen würde: "Ich war froh, dass ich mich für das Finale qualifiziert habe, denn nach dem dritten Grand Prix Turnier dachte ich, dass ich meine Chancen verspielt hätte. Ich war einfach nur froh, dass ich es ins Finale geschafft habe."
Ihre allgemeine Strategie war einfach, aber effektiv: "Ich habe nur versucht, keine Figuren einzügig einzustellen. Als ich nach einiger Zeit müde wurde, sagte ich mir nur noch: Stell keine Figur ein, stell keine Figur ein und alles wird gut."
Ushenina bekam für ihren Finalsieg $6,500. Zusammen mit den $3.000 für den Sieg im ersten Grand Prix Turnier, den $2.000 für die Finalteilnahme beim zweiten und den $500 für das erreichen des Viertelfinales des dritten Turniers hat sie in den letzten Wochen $12.000 verdient. Kosteniuk gewann insgesamt $8.500.
Weitere Informationen über die FIDE Chess.com Damen Speed Chess Championship findet Ihr hier.
Kosteniuk-Ushenina | Alle Partien
It was an honor to cover the Women's #SpeedChess Championship over the last month. Thank you to the players for making the WSCC so memorable. I strive to help people enjoy and learn this fantastic game, today and every other day. Happy #InternationalChessDay!! https://t.co/cjrMO46xxu
— Robert Hess (@GM_Hess) July 20, 2020
GM Robert Hess bedankt sich auf Twitter bei den Teilnehmerinnen für die tollen Partien