
Grenke, Runde 4: Anand holt auf
Am Dienstag gelang es Vishy Anand, Peter Svidler vom Platz an der Sonne zu verdrängen. Der Inder liegt jetzt gemeinsam mit Magnus Carlsen bei den Grenke Chess Classics in Karlsruhe in Führung. Während Anand gegen Paco Vallejo gewinnen konnte, verlor Svidler seine Partie gegen Levon Aronian. Die mit Spannung erwartete Partie zwischen Carlsen und Fabiano Caruana endete Remis.
Peter Svidler nannte es selbst "ein Rätsel", dass er einen Tag lang, gemeinsam mit Carlsen das Tableau anführte. Der russische Großmeister gab die Führung dann auch gleich wieder ab, indem er, ohne einen großen Kampf zu liefern, gegen Levon Aronian verlor. Der Armenier hingegen kann nun durchaus als 1.e4 Spieler bezeichnet werden. Heute bestand er gegen sein eigenes, Marshall-Basiertes 1...e5 Repertoire.

Aronian über seinen Sieg in einem Anti-Marshall Spanisch: "Irgendwann werden den Leuten die Öffnungen ausgehen und dann werden sie meine Eröffnungen spielen!"
Er hatte die 8.a4 Variante, kombiniert mit einem schnellen Tausch auf e5 vorbereitet und zeigt auf, dass es für Schwarz sehr schwierig ist, die richtige Zugreihenfolge zu finden, wenn Weiß Züge wie a4-a5, h2-h3, Dd1-e2 und sogar Lb3-c4 im Köcher hat.

Aronian fand im 17. Zug eine Neuerung. Svidler sagte ihm nach der Partie, dass er diesen Zug zwar schon einmal analysiert hätte, aber von seiner im Laptop gespeicherten Variante abwich, weil ihm seine Analyse nicht gefiel. Danach stand er etwas schlechter und als er kurz darauf einen Bauern einstellte, war dies praktisch schon der technische K.O.
Aronian über seine Partie gegen Svidler.
Carlsen teilt sich nun die Führung mit Vishy Anand, der gegen Paco Vallejo gewinnen konnte, obwohl er nach der Eröffnung schon unter Druck stand. Schon den zweiten Tag in Folge endete der fünfmalige Weltmeister in einer Stellung, in der Weiß nach dem Zug f4-f5, der einen Bauernsturm am Königsflügel einläutet, klare Vorteile hatte.
Anand blieb aber ruhig: "Ich habe diese "sehen wir mal was kommt Einstellung" und das war alles."
Der offensichtliche Plan für Weiß wäre es gewesen, sofort mit dem g-Bauern nachzurücken, aber Vallejo verzichtete darauf.
Genau diese Stellung hätte der Spanier erreichen können, wenn er 19.g5 Sfd7 20.Dh5 Tfc8 und 21.Sf3 gespielt hätte. Und schon den zweiten Tag in Folge blieb Anand größerer Ärger erspart, weil sein Gegner nicht sah, was er gesehen hatte. Hier war es das Springermanöver Sf3-h2-g4.

Stattdessen wollte Vallejo den Sieg erzwingen (Anand), was aber nicht funktionierte und als sein Angriff verflachte wurde er am Damenflügel ausgekontert. Am Ende leisteten dann Anands Springer noch eine großartige Arbeit und wehrten die letzten Angriffsversuche des Spaniers ab.
Anand spricht über seine Partie gegen Vallejo.
Nach 2 Siegen in Folge spielte Magnus Carlsen jetzt zum zweiten Mal Remis. Heute teilte er sich mit Fabiano Caruana den Punkt. Es war das erste aufeinandertreffen der beiden, seit der Weltmeisterschaft im November.
"Ich spürte viel weniger Druck. Wir spielten dieselbe Variante wie bei der WM, aber ohne Druck", sagte Caruana nach der Partie.

Die Spieler setzten Ihren theoretischen Schlagabtausch in der 7.Sd5 Sweschnikov Variante fort. Diesesmal fand Caruana eine Neuerung im 14. Zug und wich damit von einer Partie ab, die vor 15 Tagen in Shamkir zwischen Carlsen und Karjakin gespielt worden war.
Hier spielte Caruana 14.Da4 und nicht wie Karjakin 14.Le2.
Nach einigen weiteren schnellen Zügen von beiden Spielern (14...Ld7 15.Dc2 Lxb5 16.cxb5 Le7 17.Ld3), war es Carlsen, der als erster 15 Minuten über einen Zug nachdachte. Seine Wahl fiel auf 17...Sf8, was ein wenig verdächtig aussieht. Caruana antwortete nach einer halben Stunde mit 18.b6.
Der Amerikaner behielt dann etwa sieben Züge lang die Initiative und fand sich dann zu seiner eigenen Überraschung und ohne einen Fehler begangen zu haben plötzlich in einem schlechteren Endspiel wieder. Durch einige exzellente Züge (37.f4!, 41.Lh3!) sicherte er sich aber einen halben Punkt, auch wenn er sich diesen in einem Endspiel mit Turm gegen Turm und Springer erst erarbeiten musste.
Carlsen hat dieses Endspiel schon einmal gegen einen Großmeister gewonnen, aber hier versuchte er es nur 20 Züge lang.
"Das habe ich noch nie verloren," sagte Caruana mit einem Lächeln.

Vincent Keymer verlor auch seine vierte Partie. Seine Partie gegen Arkadij Naiditsch folgte dem selben Szenario wie schon seine Partien gegen Carlsen und Caruana: Er hatte nach der Eröffnung eine gute Stellung und konnte einige Zeit mit seinem Gegner gut mithalten. Irgendwann verlor er aber dann den Faden und wurde überspielt.
Heute bekam er Komplimente von Aronian, der einen "Leko touch" bei vielen Zügen von Keymer bemerkt hatte.
"Leider geht er mit der Bedenkzeit genauso sorglos um, wie ich!" sagte Leko.

Aronian gefiel besonders das langsame manövrieren in der ersten Hälfte der Partie:
"Das erinnerte mich an die Vorgänger des Schachs: Shatranj, Chaturanga. Die Figuren zogen alle langsam umher und man durte die Bauern noch nicht 2 Felder vorziehen. Die Alfils, die Vorgänger der Läufer, kamen nur sehr langsam in die Partie. Das ist es, wie Schach sein sollte: Langsam und wunderschön!"
Naiditsch hat gegen Keymer seinen ersten Sieg in diesem Turnier eingefahren und steht jetzt wieder bei 50%. Wie er den Königsangriff behandelte war wirklich sehenswert und deshalb sehen wir uns diese Partie etwas genauer an.

Den vierten Sieg des Tages durft Maxime Vachier-Lagrave feiern. Er rang Georg Meier in einem Endspiel mit Turm, Springer und Bauer gegen Turm und Springer nieder. Eigentlich hätte der Mainzer aber ein Remis erreichen können. Er hätte nur seinen Springer für den Bauern opfern müssen und hätte exakt das selbe Endspiel erreicht, wie Caruana gegen Carlsen.
Das passierte aber erst 6 Stunden nachdem Meier seinen Gegner mit dem seltenen Zug 5.h3 im Gruenfeld überrascht hatte. Vielleicht war er dabei von Matthias Blübaum inspiriert (oder instruiert), der diese Variante schon zweimal in der französischen Mannschaftsmeisterschaft gespielt hat.
MVL spielte aber anders weiter, als Blübaums Gegner und besonders 8...b5 sah dabei sehr stark aus. Die Partie war lange Zeit ausgeglichen, aber kurz vor der zweiten Zeitkontrolle beim 60. Zug verlor Meier einen Bauern. Und nach 60 weiteren Zügen verlor er dann die Partie.

Grenke Chess Classics 2019 | Tabelle nach der 4. Runde
# | Land | Name | ELO | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 | Punkte |
1 | Carlsen,Magnus | 2845 | 2894 | ½ | ½ | 1 | 1 | 3.0 | |||||||
2 | Anand,Viswanathan | 2779 | 2897 | ½ | ½ | 1 | 1 | 3.0 | |||||||
3 | Vachier-Lagrave,Maxime | 2775 | 2823 | ½ | ½ | ½ | 1 | 2.5 | |||||||
4 | Aronian,Levon | 2761 | 2780 | 1 | ½ | ½ | ½ | 2.5 | |||||||
5 | Svidler,Peter | 2737 | 2818 | 0 | ½ | 1 | 1 | 2.5 | |||||||
6 | Caruana,Fabiano | 2828 | 2806 | ½ | ½ | ½ | 1 | 2.5 | |||||||
7 | Naiditsch,Arkadij | 2710 | 2696 | ½ | ½ | 0 | 1 | 2.0 | |||||||
8 | Vallejo Pons,Francisco | 2698 | 2561 | 0 | 0 | ½ | ½ | 1.0 | |||||||
9 | Meier,Georg | 2621 | 2552 | 0 | ½ | 0 | ½ | 1.0 | |||||||
10 | Keymer,Vincent | 2509 | 1991 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0.0 |
Die Paarungen der 5. Runde lauten:
Svidler gegen Vallejo Pons
Vachier-Lagrave gegen Aronian
Keymer gegen Meier
Carlsen gegen Naiditsch
Anand gegen Caruana
Impressionen der vierten Runde.
Die ersten 5 Runden werden vom 20. - 24. April in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe ausgetragen werden. Nach einem Ruhetag zieht das Turnier dann in das Kulturhaus LA8 Museum in Baden-Baden um, wo vom 26. bis zum 29. April die restlichen Runden absolviert werden.
Die Bedenkzeit beträgt 100 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 50 Minuten für 20 weitere Züge und dann 15 Minuten für den Rest der Partie. Zusätzlich erhalten die Spieler einen Zeitbonus von 30 Sekunden pro Zug. Remisgebote vor dem 40. Zug sind verboten.
Die Partien beginnen immer um 15:00 Uhr Ortszeit.
Ihr könnt das Turnier hier auf unserer Event-Seite verfolgen. Die Partien werden auf Live Chess übertragen.
IM Levy Rozman wird von dem Turnier auf seinem Twitch Kanal GothamChess berichten.
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