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Schach-WM, Runde 3: Caruana ist auf Carlsens Rossolimo besser vorbereitet

Schach-WM, Runde 3: Caruana ist auf Carlsens Rossolimo besser vorbereitet

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Im Sport erzeugt der "Magnus Effekt" Kurven, wo es eigentlich gerade Linien geben sollte, aber Magnus Carlsen scheint auf seinem Weg zur Titelverteidigung von Kurven nicht viel zu halten. Wie schon 2016, startet auch die Schachweltmeisterschaft 2018 mit einer Serie von Remispartien, aber dieses Mal kreiert Fabiano Caruana das Vakuum.

In der heutigen dritten Runde hatten beide Seiten eine Chance. Carlsen zufolge hatte sein Gegner diese Chance einen einzigen Zug lang. Nachdem er diese aber nicht wahrgenommen hatte, konnte Carlsen selbst etwas Druck ausüben. Es gelang aber keinem der beiden Kontrahenten, einen entscheidenden Vorteil zu erzielen.

Magnus Carlsen

Der "Lebron James des Schachs" führt seinen eigenen Kreuzschritt vor. Wer führt ihn eleganter aus? | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Carlsens Enttäuschung über der Eröffnung ähnelte der, der zweiten Partie, nur dass er es diesmal lakonischer und familienfreundlicher ausdrückte. Anstatt mit "Oh Scheiße" zu fluchen, wie er es noch am Samstag getan hatte, beantwortete er dieses Mal die Frage, ob er mit der Eröffnung zufrieden gewesen sei mit einem einfachen "Nein".

Zum dritten Mal in Folge hatte Schwarz mehr Gewinnchancen, aber wieder gewann die Ausgeglichenheit die Oberhand. Der WM-Kampf steht damit nach drei Unentschieden 1,5 : 1,5. Für den Champion war es eigentlich schon das vierte  Unentschieden in vier Tagen, wenn man das gestrige 0: 0 zwischen Chelsea und Everton mitzählt, bei dem er als Zuschauer im Stadion weilte.

Magnus Carlsen Fabiano Caruana

Carlsen war beim Handschlag vor der Partie etwas dominanter als in der Partie selbst. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Caruana kam wieder mit ein paar Regentropfen auf seinem Sakko an, aber das war nicht die wichtigste Gemeinsamkeit mit den ersten beiden Runden. Viel wichtiger war, dass Carlsen erneut die Rossolimo Variante der Sizilianischen Verteidigung spielte, Caruana aber jetzt mit 6. 0-0 und nicht mit 6. h3, wie in der ersten Partie, fortsetzte.

"Ich denke, wir haben die Theorie ziemlich früh verlassen," sagte Caruana

Es sah ein wenig wie die Partie von 2015 beim Tata Steel Turnier aus, als der Amerikaner auf dem unwichtigen Damenflügel ein Übergewicht erlangte, aber auf dem Königsflügel fast Matt gesetzt worden wäre. Da Carlsen diese Partie in nur 39 Zügen gewinnen konnte, musste sich der Amerikaner also für die heutige Partie einen besseren Plan ausdenken. Heute drehte sich dann alles um die offene a-Linie (um Carlsens eben angesprochenen Sieg in der Chess.com Videoanalyse der heutigen Partie zu sehen, müsst ihr auf 10:50 vorspringen).

Fabiano Caruana

Fabiano Caruana sagte, dass er trotz der enormen medialen Aufmerksamkeit mittlerweile eine normale Turnierroutine entwickeln konnte. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Heute war es Caruana, dem ein Rechenfehler unterlaufen war. Anstatt im 15. Zug die Türme zu tauschen und danach 16. Ld2 und 17. Da1 zu spielen, vertauschte er die Zugreihenfolge und zog zuerst den Läufer. Er übersah dabei, dass der Turmtausch alles andere als erzwungen war und nachdem der Norweger seinen Turm in aller Seelenruhe zurückgezogen hatte, mussten sich beide Spieler die offene Linie teilen..

"Ich habe nur einen richtig schlechten Zug gemacht," sagte Caruana. "Das war einfach ein Blackout."

"Nach 17. Da1, ist Schwarz weit vom Ausgleich entfernt," sagte Carlsen zur eben angesprochenen Variante. "Schwarz steht zwar noch irgendwo solide, aber ich sehe nirgendwo einen Ausgleich. Weiß wird den ganzen Tag Spaß haben und ich blicke einem langen und harten Arbeitstag entgegen. Offensichtlich war ich nur wenige Züge später viel glücklicher."

Magnus Carlsen

Carlsen gewann das Duell der interessanteren Gesichtsausdrücke und dieser war keine Lüge. Mit der Eröffnung war er nicht zufrieden | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Nachdem dann relativ schnell alle Schwerfiguren abgetauscht wurden, schlug das Pendel sogar in Richtung Carlsen aus. Er schaffte es aber nicht, einen Freibauern am Königsflügel zu bilden und auch der Raumvorteil und der so oft überlegene Läufer brachten ihm keinen entscheidenden Vorteil gegen Caruanas Springer. Caruana vereinfachte dann die Stellung mit einem Springeropfer, nach welchem Carlsen mit dem "falschen" Läufer am Brett zurückblieb, was zu einem sofortigen Handschlag führte. Ein paar norwegische Schachfans haben sich aber sicher gewundert, warum ihr Held jetzt nicht gewinnen würde.

Ihr müsst aber nicht den nächsten Großmeister anrufen! Ihr könnt stattdessen einfach diesen Artikel über dieses Endspiel lesen oder die Stellung selbst gegen den unerbittlichen Computer Remis halten.

sam shankland world championship chess

"Ich glaube, Carlsen hätte mich etwas mehr quälen können,"  sagte Caruana und zeigte, wie er dachte, dass Carlsen seine Figuren vor dem Tausch auf e4 platzieren hätte können. Carlsen sah aber keine Fortsetzung in dieser Variante.

Falls die russische Schachschule euer Ding ist, haben wir Alex Yermolinsky um eine weitere Videoanalyse gebeten:

Carlsen widersprach auch den Gerüchten, dass er die "berührt-geführt" Regel missachtet hätte. An einem Punkt in der Partie, als Caruana nicht am Brett war, rückte Carlsen seinen Springer auf d7 gerade. Um einige anfängliche Theorien, die auf Twitter veröffentlicht wurden zu widerlegen, zeigte das norwegische Fernsehen später Zeitlupenaufnahmen der Sequenz, in denen zu sehen ist, dass der Weltmeister tatsächlich etwas sagte, als er die Figur anfasste. Einige Top-GMs gaben zudem zu, dass sie dies nicht tun würden, wenn der Gegner nicht am Brett ist. Aber das sind ja wahrscheinlich keine Partien, in denen zehntausende Menschen jeden Atemzug beobachten!

Magnus Carlsen

Bevor Carlsen aufgrund der kalten Temperaturen wieder seine Patagonia Jacke anzog, rockte er erneut seinen grauen Anzug. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Als Carlsen bei der Pressekonferenz direkt danach gefragt wurde, schien Carlsen bereits gewusst zu haben, dass dieses Thema diskutiert worden war. Er tat etwas Ungewöhnliches für ihn oder für jede Schachpressekonferenz. Nach der Beantwortung der Frage zum Thema ("Ich habe 'j'adoube' gesagt, mehr gibt es dazu nicht zu sagen"), stellten die Journalisten Caruana eine andere Frage gestellt hatten, brachte Carlsen das Thema noch einmal auf und beendete seine Antwort.

"Ich verstehe euren Hunger nach Geschichten", sagte Carlsen. Er sagte, es seien zwei Schiedsrichter anwesend, die auch Zugang zu Video hätten. "Ich verstehe nicht wirklich, worum es bei dem ganzen Trubel wirklich geht."

Vor der Runde scherzte Chefschiedsrichter Stephane Escafre mit dem Pressekorps, dass sie keine Fotos von ihm zu machen bräuchten, denn diese wären nur von Nutzen, wenn etwas schieflaufen würde. Lassen wir seinen Worten also Taten folgen und zerstreuen irgendwelche abwegigen Theorien ein für alle Mal:

Nach der dritten Partie von #CarlsenCaruana wurde ich von einem Offiziellen nach dem j´adoube Vorfall befragt. Ich habe schon während der Partie geschrieben, dass @MagnusCarlsen "jádoube" gesagt hat, bevor der die Figur berührte. Dann hat er mir gesagt, dass es deswegen einige dumme Kommentare auf Twitter geben würde. Ich bin jetzt selbst online und kann euch versichern, dass es wirklich nur dumme Kommentare sind.

— escafre stephane (@escafrestephane) November 12, 2018

Wie fühlt sich der Herausforderer nach 3 gespielten Partien bei seinem ersten längeren Match, bei dem man unter anderem um die Unsterblichkeit spielt?

"Ich weiß nicht, ob ich es "Spaß" nennen würde", sagte Caruana. "Es ist definitiv eine Erfahrung und ich bin glücklich, diese Erfahrung machen zu dürfen. Es ist ziemlich neu, aber es fühlt sich auch sehr schnell wie ein normales Turnier an. Die erste Partie und vor allem der Start der ersten Partie war wirklich eine neuartige Erfahrung, aber jetzt fühlt es sich ziemlich normal an. Man bereitet sich vor und spielt."

Fabiano CaruanaIm Gegensatz zur ersten Partie gab es heute beim Eröffnungszug keine Probleme! | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Für Carlsen ist es bereits die vierte Weltmeisterschaft und er scheint mehr Spaß an der Erfahrung zu haben.

"Ja, ich meine, sonst wäre ich nicht hier", sagte Carlsen darüber, ob es ihm gefallen würde, der Mittelpunkt der Schachwelt zu stehen. "Es ist offensichtlich hart und es herrscht offensichtlich ein großer Druck. Aber ich versuche, das ganze wo gut wie möglich zu genießen. Das ist sicher. Ansonsten würde man unter dem Druck zusammenbrechen."

Magnus Carlsen

Sucht er im Himmel nach Antworten? Eigentlich sieht sich Carlsen nur die Züge auf dem großen Brett an.  | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Falls ihr euch fragt, zu wem ein andere Topspieler hält, werdet ihr sicher überrascht sein. Trotz seiner negativen Bilanz und der Niederlage im Speed Chess Finale hofft Hikaru Nakamura auf Carlsen und nicht auf seinem Landsmann. Er Grund dafür ist recht einfach. Nakamura denkt, es wäre "etwas seltsam" wenn der Schachweltmeister im Blitz- und Schnellschach nicht so stark wäre, wie im klassischen Schach.

"Historisch gesehen wäre es etwas abwegig, wenn Magnus nicht gewinnen würde," sagte Nakamura beim Tata Steel Turnier in Indien.

Das norwegische Medienunternehmen VG konfrontierte Caruana mit Nakamuras Kommentaren, worauf der amerikanische Mitbürger antwortete: "Hikaru hat seine eigene Meinung. Ich habe das nicht wirklich erwartet, aber er kann sagen, was er will."

Obwohl es den Medien zugesagt wurde, hat World Chess jetzt zum dritten mal in Folge die Aufzeichnung der Pressekonferenz nach der Runde nicht veröffentlicht, In einem anderen Bereich war World Chess konsequenter. Obwohl World Chess-Chef Ilya Merenzon nach der zweiten Runde sagte, dass die Überfüllung des Austragungsortes "in den nächsten neun Runden kein Thema sein wird", war das System der zeitlich begrenzten Zugänge der Wochenendrunde am Montag wieder im Einsatz:

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Wie die Rossolimo Eröffnung, kehrte auch der zeitlich begrenzte Zugang heute bei der Weltmeisterschaft zurück. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Für ihre Hilfe an diesem Artikel bedanke ich mich ganz herzlich bei Tarjei Svensen und GM Jonathan Tisdall.

Natürlich könnt ihr die Weltmeisterschaft live auf Chess.com verfolgen. Ferner findet ihr jeden Tag Berichte, Fotos und Analysen auf Chess.com/news.

Alle Partien könnt ihr auf Chess.com/wcc2018 nachspielen und die Live-Übertragungen mit unseren Kommentatoren IM Danny Rensch und GM Robert Hess findet ihr auf Twitch.tv/Chess oder Chess.com/TV. Die beiden werden außerdem abwechselnd von Schachgrößen wie Hikaru Nakamura, Maxime Vachier-Lagrave, Wesley So und Sam Shankland unterstützt.

GM Alex Yermolinsky wird jeden Tag ein Video mit den Höhepunkten des Tages veröffentlichen, welches ihr auf Twitch, YouTube, Facebook und Chess.com ansehen könnt. 

US-Meister GM Sam Shankland wird jede Partie für euch analysieren.

Und an jedem Ruhetag wird euch GM Yasser Seirawan mit exklusiven Videos für Chess.com Mitglieder unterhalten. 


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    Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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