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Goryachkina gewinnt den Damen-Weltcup - Heute beginnt das Finale Praggnanandhaa gegen Carlsen
Aleksandra Goryachkina. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Goryachkina gewinnt den Damen-Weltcup - Heute beginnt das Finale Praggnanandhaa gegen Carlsen

Colin_McGourty
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Aleksandra Goryachkina hat den FIDE-Damen-Weltcup 2023 und damit auch $50.000 Preisgeld gewonnen. Ihre Gegnerin Nurgyul Salimova ließ in der ersten Tiebreak-Partie eine weitere wunderbare Chance verstreichen und in der zweiten Partie war sie den Endspielkünsten Goryachkinas nicht gewachsen.

Nur wenige Meter davon entfernt schaffte der 18-jährige Inder Praggnanandhaa die Sensation und besiegte Fabiano Caruana mit 3.5:2.5 und zog damit ins Finale gegen Magnus Carlsen ein.

Dieses Finale beginnt am Dienstag, dem 22. August, um 13:00 Uhr.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen das komplette Finale auf den deutschsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube, mit fachmännischen Kommentaren von Großmeister Ilja Zaragatski und IM Georgios Souleidis, alias "The Big Greek".
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Sonntag.

Kommentatoren: Simon Williams und Tania Sachdev.

Am 21. Tag des Weltcups waren von den unsprünglich 309 Spielern nur noch 2 Damen im Rennen und 2 Herren spielten um den Platz im Finale gegen Magnus Carlsen.

Goryachkina gewinnt den Weltcup der Damen

Für die 24-jährige Goryachkina muss sich das Finale des Damen-Weltcups wie eine unerledigte Arbeit angefühlt haben. 2021 erreichte sie als Nummer eins das Finale in Sotschi und gewann die erste Partie gegen Alexandra Kosteniuk, bevor sie sowohl die zweite Partie als auch das Match verlor. In diesem Jahr ging sie als Nummer zwei der Setzliste hinter Ju Wenjun ins Rennen und hatte erneut die Chance, gegen eine formelle Außenseiterin den Weltcup zu gewinnen.

Nurgyul Salimova (links) und Aleksandra Goryachkina. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Für die 20-jährige Salimova war dies bereits ein Traumturnier gewesen und mit dem Erreichen des Finales hatte sie etwas geschafft, was Goryachkina bereits vor einigen Monaten beim Damen-Grand-Prix geschafft hatte: Sie hatte sich für das Kandidatenturnier der Damen qualifiziert. Es stand aber natürlich noch viel mehr auf dem Spiel , denn für Salimova ging es nicht nur um die Differenz zwischen dem ersten Preis in Höhe von $50.000 und dem zweiten Preis in Höhe von $35.000, sondern auch um die Chance, sich direkt den Großmeistertitel zu sichern. Normalerweise sind dafür drei GM-Normen und eine Elo von 2500 erforderlich, aber der Siegerin des Weltcups winkt die direkte Ernennung zur Großmeisterin.

In der zweiten klassischen Partie stand Salimova bereits kurz vor dem Sieg und auch in der ersten Schnellschachpartie mit einer Bedenkzeit von 25+10 übernahm sie im London System mit dem raffinierten Zug 20.b4 die Initiative.

Goryachkina konnte den Bauern nicht schlagen, ohne der weißen Dame den Weg auf das Feld d7 zu öffnen, was ein Schachmatt auf f7 im nächsten Zug bedeutet hätte.

Für Goryachkina sah die Situation hoffnungslos aus, aber sie erklärte später, dass sie angesichts der kurzen Bedenkzeit nicht ganz erkannt hatte, wie schlecht ihre Stellung war. "Meine Gegnerin hat mir geholfen!" fügte sie hinzu und meinte damit den Zeitpunkt, als sich Salimova mit weniger als einer Minute auf der Uhr in den plötzlich auftretenden Komplikationen verirrte.

Salimovas Enttäuschung über das Remis war offensichtlich.

Viele Sportarten sind dafür berüchtigt, dass der Gegner zuschlägt, wenn man seine eigenen Chancen nicht nutzt und in der zweiten Partie war es dann auch Goryachkina, die sich zum ersten Mal in diesem Finale einen großen Vorteil erspielte. Salimova opferte einen Bauern für eine nebulöse Kompensation und schien den Fehler durch den Damentausch noch zu verschlimmern.

Die Dinge waren jedoch nicht so einfach, aber einige Ungenauigkeiten sowie eine hartnäckige Verteidigung brachten die Bulgarin an den Rand des Überlebens. Und dann war sie nur noch einen Zug vom Remis entfernt.

68...Lxe2 hätte Salimova auf der Stelle ein Remis gesichert, denn nah 69.Kxe2 und d3+ gewinnt Schwarz sogar!

Der gespielte Zug 68....La6 war zwar auch ok, aber die Partie ging weiter und bald danach hatte Goryachkina zwei gefährliche verbundene Freibauern und Salimova musste eine ganze Serie perfekter Verteidigungszüge finden, um die Stellung zu halten. Der Zug 89...Le2, gespielt mit sieben Sekunden auf der Uhr, war keiner davon und danach war das Finale entschieden.

Damit hatte Goryachkina Gold und den Hauptpreis in Höhe von $50.000 gewonnen und wie schon so oft zuvor zeigte sie direkt nach ihrem Sieg keinerlei Emotionen.

Das Spiel um Platz 3 und den dritten Startplatz beim Kandidatenturnier hatte Anna Muzychuk bereits am Vortag für sich entschieden.

Nurgyul Salimova (links), Alexandra Goryachkina (mitte) und Anna Muzychuk. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der Turnierbaum der Damen

Praggnanandhaa besiegt Caruana

"Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, bei diesem Turnier gegen Magnus zu spielen, denn die einzige Möglichkeit, gegen ihn zu spielen, war im Finale", sagte Praggnanandhaa, nachdem er Caruana besiegt hatte. Er fügte hinzu: "Ich denke, ich habe aufgrund meiner Defensivfähigkeiten gewonnen, denn ich stand in jeder einzelnen Partie fast auf Verlust!"


Praggnanandhaa relativierte diese Aussage zwar später, aber er hatte Recht, dass er in beiden klassischen Partien in der Defensive war und in der ersten Tiebreak-Partie auf Verlust stand. Caruana verpasste mit 31.Lxe5 einen Sieg im Mittelspiel, baute aber seinen Vorteil stetig aus, bis ihm ein Turmopfer ein gewonnenes Endspiel bescherte. Praggnanandhaa nahm den Amerikaner in Schutz und sagte: "Mit wenig Zeit ist es nie einfach". Der Zug 55.f4 warf den Sieg aus dem Fenster.

Der natürlichste Zug in dieser Stellung, 55.a6, hätte gewonnen und danach gab Praggnanandhaa seinem Gegner keine zweite Chance.

In der zweiten 25-Minuten-Partie konnte sich Praggnanandhaa mit dem London System nur einen kleinen Vorteil erspielen, der dann in Zeitnot verpuffte. Echte Gewinnchancen hatte hier keiner der beiden Spieler.

Praggnanandhaa. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

In der ersten 10-Minuten-Partie hatte Praggnanandhaa erneut die weißen Figuren und dieses Mal folgte er Caruana und entschied sich für die Italienische Eröffnung. Es schien, als hätte das nichts gebracht, aber der Zug 29...Lc5 des US-Stars war eine scheinbar geringfügige Ungenauigkeit, die doch irgendwie, fast zwingend, zur Niederlage führte. Der König auf g2 trat bald einen Siegeszug nach b7 an und am Ende setzte Weiß mit einer zusätzlichen Dame Schachmatt– eine außergewöhnliche Verwandlung eines Vorteils.


Die Stellungen nach 29...Lc5 und 63.Dg7+.

Das ist unsere Partie des Tages und Großmeister Rafael Leitao hat sie für uns analysiert.

Und für alle, die sich Analysen lieber als Video ansehen, hat The Big Greek wieder fleißig gearbeitet:

Das war Caruanas erste Niederlage nach 17 Partien beim Weltcup 2023, aber dadurch stand er sofort am Rande des Ausscheidens. Für die nächste Partie, die er unbedingt gewinnen musste, entschied er sich erneut für die Italienische Eröffnung, aber diesmal war nach 19 Zügen klar, dass Praggnanandhaa alle Eröffnungsprobleme gelöst hatte.

Bald danach stand Schwarz schon klar besser und Praggnanandhaa fasste treffend zusammen, was folgte:

Ich dachte, ich würde die Partie ganz bequem gewinnen. Ich hatte viel Zeit und eine sehr gute Stellung, aber dann fing ich an zu zögern und versuchte, vorsichtig zu sein, was in solchen Situationen nie eine gute Idee ist. Dann habe ich viel Gegenspiel zugelassen. Ich glaube, ich war zwar nie wirklich in Gefahr, aber es hätte viel reibungsloser verlaufen können.

Nach 82 Zügen war es dann aber amtlich, dass der 18-Jährige sein erstes Weltcup-Finale erreicht hatte.

Das bedeutet, dass Praggnanandhaa der jüngste WM-Finalist aller Zeiten ist und bereits $80.000 sicher hat. Wenn er einen weiteren erstmaligen Finalisten besiegen würde, könnte er diese Summe noch um $30.000 aufstocken, aber das ist der fünfmalige Weltmeister und Weltranglistenerste Magnus Carlsen.

Durch diesen Sieg hat sich Praggnanandhaa auch einen der acht Plätze im Kandidatenturnier gesichert, selbst wenn Carlsen seine Meinung noch ändern sollte. Dazu sagte der Inder:

"Die Qualifikation für das Kandidatenturnier fühlt sich extrem gut an. Ich wollte das auch unbedingt unter Dach und Fach bringen und nicht Vierter werden und dann auf Magnus‘ Entscheidung warten müssen. Dass mir das gelungen ist, fühlt sich wirklich toll an."

Praggnanandhaas Mutter. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Aber auch für Caruana und Nijat Abasov geht das Turnier noch weiter, denn die beiden kämpfen im Spiel um Platz 3 noch um ein Preisgeld von $60.000 und einen weiteren fixen Startplatz im Kandidatenturnier.

Die Aktion geht gleich am Dienstag um 13:00 Uhr weiter und es gibt keinen Spielraum für Fehler. Zwischen 2005 und 2019 gingen die Finale beim Weltcup über 4 Partien, aber seit 2021 werden nur noch zwei klassische Partien gespielt. Wird es Carlsen schaffen, eine der letzten Trophäen, die ihm in seiner Sammlung noch fehlen, zu gewinnen, oder wird Praggnanandhaa ein weiteres Signal aussenden, dass seine Zeit gekommen ist? Wir werden es herausfinden!

Alle Partien vom Montag

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup lief bis zum 21. August und das Open läuft bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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Colin McGourty

Colin McGourty led news at Chess24 from its launch until it merged with Chess.com a decade later. An amateur player, he got into chess writing when he set up the website Chess in Translation after previously studying Slavic languages and literature in St. Andrews, Odesa, Oxford, and Krakow.

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