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Carlsen zieht mit So gleich

Carlsen zieht mit So gleich

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Magnus Carlsen und Wesley So führen nach dem 4. Spieltag beim Your Next Move Grand Chess Tour in Löwen, Belgien, die Tabelle nun gemeinsam an. Carlsen startete mit 3 Punkten Rückstand auf Wesley So in den Samstag aber erzielte 7.5 von 9 möglichen Punkten und zog mit Wesley So, nachdem er in der letzten Runde den direkten Vergleich gewinnen konnte, gleich.

So gibt seine Partie gegen Carlsen auf. | Foto: Maria Emelianova.

Für alle Schachspieler, denen Fehler egal sind, ist Blitzschach einfach großartig. Sogar Garry Kasparov findet mehr und mehr gefallen am "blitzen".

Da er sich nach seinem gestrigen Vortrag in der Universität immer noch in Löwen aufhält wurde er von Nigel Short gefragt, ob er nicht für eine Stunde in die Rolle des Co-Kommentators schlüpfen möchte und es gefiel "dem Boss" so gut, dass er den ganzen Tag blieb.

"Die Züge anderer Spieler zu kritisieren macht wirklich Spass!" sagte er während er Live-Übertragung.

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Kasparov und Short kommentierten heute die Partien von Löwen.
Was für ein Duo! | Foto: Lennart Ootes.

In der ersten Runde gab es kein einziges Remis. Wesley So besiegte wie erwartet Baadur Jobava, aber auch Magnus Carlsen verbuchte gegen Vishy Anand den vollen Punkt. Der Inder, der schon gestern so enttäuscht über seine eigene Leistung war, musste eine völlig unnötige Niederlage verkraften:

Maxime Vachier-Lagrave, der schon in Paris ein exzellentes Blitz-Turnier gespielt hatte, setzte seinen Lauf fort. Er gewann gegen Levon Aronian, der 4 Sekunden vor Ende einige Figuren umwarf und feststellen musste, dass es ihm nicht möglich war, diese in der verbleibenden Zeit wieder aufzustellen.

In der zweiten Runde kam Vishy Anand vom Regen in die Traufe. Gegen Wesley So machte er im frühen Mittelspiel einen furchtbaren Fehler, der eines Weltmeisters eigentlich unwürdig ist, aber was soll man machen?

"Wirklich überraschend. Einen Zug vorher war die Stellung noch absolut ausgeglichen," sagte So.

Jobava verlor schon wieder. Er sollte schließlich durch ein schnelles Remis gegen Ivanchuk in der letzten Runde einen halben Punkt von 9 möglichen erzielen, aber der Ukrainer hatte sein Interesse an diesem Turnier zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon verloren. "Mich regen meine Fehler wirklich auf," sagte Jobava nach der Niederlage gegen Ian Nepomniachtchi.

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Jobava erzielte bis jetzt 2 Remis und 16 Niederlagen. | Foto: Maria Emelianova

In der nächsten Runde verbuchte Carlsen in einem Berliner Endspiel mit den schwarzen Figuren einen "wichtigen Sieg" (Kasparov) gegen Vachier-Lagrave. Der Weltmeister fand gleich eine ganze Serie starker Züge und gewann Material, aber ein Fehler machte alles zunichte und er konnte von Glück sprechen, dass sein Gegner nicht den schmalen Pfad zum Remis fand.

Carlsen: "Das war wirklich hart. Ich habe ihn in der Eröffnung ausgetrickst und stand dann besser aber es war sehr schwer diesen Vorteil zu verwerten." Über das Springerendspiel sagte er: "Um ehrlich zu sein, war es beängstigend."

Kasparov erinnerte die Zuschauer an die beiden Siege von MVL über Carlsen letzte Woche in Paris: "Magnus spielt mit viel mehr Selbstvertrauen als in Paris. Beim Blitzen geht es auch darum die Nerven zu behalten."

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Carlsen und MVL bemerkten, dass die Uhr nicht lief (und behoben das Problem selbst). | Foto: Maria Emelianova

Seine nächste Partie gewann Carlsen recht schnell. Ivanchuk, der die Runde zuvor gegen Giri auf Zeit verloren hatte, kam nie wirklich in die Partie:

So spielte gegen MVL stark, eigentlich sogar sehr stark, aber aus dem Nichts machte er einen Fehler. Von diesem Fehler sichtlich geschockt fand er keinen einzigen guten Zug mehr und verlor die Partie dann relativ schnell.

"Es war nur Glück," sagte Vachier-Lagrave. "Meine Stellung war nach 15 Zügen komplett im Eimer. Wie üblich. Ich glaube, gegen Magnus habe ich besser gespielt, obwohl ich verloren habe."

Kasparov. "Ich war irgendwie erleichtert als Wesley die Qualität verloren hatte, denn ich habe letztes Jahr gegen ihn zwei Springer eingestellt. Das war irgendwie eine Genugtuung. Nicht nur Menschen in meinem Alter machen solche Fehler!"

Nach dieser Partie war So bei 16.5 Punkten angelangt und Carlsen und MVL lagen noch 2 Punkte hinter dem Amerikaner.

Kasparov: "Das ist ein großer Test für Wesley. Jetzt werden wir sehen wie er mit Druck umgehen kann."

Gleichzeitig spielen Anand und Kramnik eine Wahnsinns-Partie, mit einem unterhaltsamen Ende, denn beide Spieler spielten nur noch auf der Verzögerungszeit von 3 Sekunden pro Zug. --- Also zumindest für die Zuschauer und Kramink war es unterhaltsam.

Nicht für Anand: "Aus irgendeinem Grund habe ich zu denken aufgehört. Klar sind 3 Sekunden nicht viel, aber es ist doch genug Zeit, um nicht all meine Bauern zu verlieren."

Ivanchuk hatte die ersten 4 Blitzpartien allesamt verloren, aber gegen So spielte er den Spielverderber und sicherte sich ein Remis.

Carlsen profitierte davon denn er überrannte Nepomniachtchi, der eine Nebenvariante des Mittelgambits so schlecht spielte, dass es schon fast peinlich war.

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Aronian, Carlsen und dessen Sekundant Peter Heine Nielsen hatten zwischen den Runden viel Spass. | Foto: Maria Emelianova.

Kasparov: "Es ist klar dass Magnus gerade zu seiner besten Form aufläuft. Wesley wird mehr tun müssen als seine Führung zu verwalten."

Vachier-Lagrave brachte aber seine Form von Paris nicht mit nach Belgien. Er verlor gegen die beiden Ex-Weltmeister Anand und Kramnik zwei Partien in Folge.

In seinem Interview mit Maurice Ashley, sprach Anand über seine momentane Laune: "Sagen wir einfach, dass ich froh bin, wenn der heutige Tag vorbei ist."

4 Runden vor Schluß lag Carlsen nur noch 1.5 Punkte hinter So (MVL 2.5), aber der Weltmeister siegte weiter!

Seine Partie gegen Levon Aronian war bis ins Turmendspiel ausgeglichen aber Aronian hatte nur noch 12 Sekunden auf seiner Uhr, und das war einfach nicht genug um eine gute Verteidigung aufzubauen.

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Eine starke Technik im Turmendspiel brachte Carlsen einen weiteren Punkt. | Foto: Maria Emelianova

So behielt seine Führung durch einen Sieg gegen Nepomniachtchi, wenngleich dieser aus einer eigentlich verlorenen Stellung zustande kam. MVL fiel durch seine Niederlage gegen Kramnik weiter zurück. Kramnik sagte nach dieser Partie: "Momentan spiele ich eigentlich ganz gut, aber gegen Vishy hatte ich eine Menge Glück."

"Wie ein russisches Sprichwort sagt ist unser Finale das Halbfinale. Ich glaube nicht, dass ich die beiden Führenden noch abfangen kann, aber ich will das Turnier in der oberen Hälfte abschließen."

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MVL und Kramnik nach der Partie. | Foto: Maria Emelianova

In der 16. Runde (bzw der siebten Blitz-Runde) schien sich dann alles zu ändern, denn Carlsen, der bis dahin unschlagbar schien, erlitt seine erste Niederlage.

Es fing schon damit an, dass er zu seiner Partie gegen Anish Giri etwas zu spät kam und es hatte den Anschein, als wäre er nie wirklich am Brett angekommen. Speziell seine Züge ...Ta8-a6-a8 ("das hat ihn 2 Tempi gekostet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Magnus das überlebt" - Seirawan) waren die Krönung einer wirlich schlechten Partie des Weltmeisters.

Giri: "Am Ende war ich schon am gewinnen, aber wenn man dann einen ganzen Turm gewinnt, macht es die Sache natürlich einfacher."

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 Anish Giri wurde von seiner Frau und seinem Sohn Daniel unterstützt. | Foto: Maria Emelianova

"Nach allem was ich gehört und gesehen habe zu urteilen spielt Magnus fantastisch im Blitz. Und ich spiele wie üblich ziemlich schlecht. Aber in einer Blitzpartie kann halt immer alles passieren und heute ist es passiert." 

So baute seine Führung mit einem Sieg gegen Aronian wieder auf 2 Punkte aus. Alles sah danach aus, als wenn der Amerikaner am Ende des Tages weiterhin in Führung liegen sollte, aber es kam dann doch anders. Carlsen schloß den Samstag mit 2 Siegen ab.

Und Giri half ihm sogar! Der Holländer besiegt nämlich in der vorletzten Runde Wesley So, obwohl Wesley eigentlich die ganze Partie besser stand. Aber am Ende brach der Amerikaner zusammen.

Über sein Opfer im 24. Zug sagte Giri: "Ich hoffte, dass Garry Kimovich noch zugesehen hat, denn er war der Grund für dieses Opfer!"

Carlsen gewann, wie erwartet, gegen Jobava und verkürzte seinen Rückstand auf einen Punkt, und hatte somit vor der letzten Runde die Chance, durch einen Sieg im direkten Duell mit So gleichzuziehen. Er wählte für diese Partie seine neue Lieblingseröffnung 1.d4 und 2.Lf4 und lies sich die Chance zur Tabellenführung nicht entgehen.

Carlsen lag zum beginn des Tages 3 Punkte hinter So, und konnte diesen Rückstand komplett wegmachen. "Am Ende lies meine Kraft stark nach aber glücklicherweise habe ich stärker als er gespielt. Das Ergebniss freut mich natürlich sehr."

In den letzten Runden spielten beide Spieler nicht ihr bestes Schach. Carlsen: "In den ersten 5 Runden fühlte ich mich richtig gut, aber dann wurde ich müde. Aber das passt schon. Am Ende eines solchen Tages spielt man eben nur noch auf Adrenalin."

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Carlsen nach der Partie gegen So: "Natürlich war sie wichtig, aber.... es liegt noch ein weiter Weg vor mir. Morgen habe ich nicht mehr den Vorteil des Verfolgers!" | Foto: Maria Emelianova.

Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Blitz, Zwischenstand nach 9 Runden

# Land Name Rtg Lstg 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 Punkte SB
1 Carlsen,Magnus 2850 3046 ½ 0 1 1 1 1 1 1 1 7.5/9
2 Kramnik,Vladimir 2790 2894 ½ 1 ½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 6.0/9
3 Giri,Anish 2760 2855 1 0 ½ ½ 1 0 ½ 1 1 5.5/9
4 Anand,Viswanathan 2771 2814 0 ½ ½ ½ 0 1 1 ½ 1 5.0/9 18.75
5 Nepomniachtchi,Ian 2767 2815 0 ½ ½ ½ 0 ½ 1 1 1 5.0/9 17.50
6 So,Wesley 2781 2775 0 ½ 0 1 1 ½ 0 ½ 1 4.5/9 16.75
7 Aronian,Levon 2787 2775 0 ½ 1 0 ½ ½ 0 1 1 4.5/9 15.75
8 Vachier-Lagrave,Maxime 2789 2775 0 0 ½ 0 0 1 1 1 1 4.5/9 14.25
9 Ivanchuk,Vassily 2755 2561 0 ½ 0 ½ 0 ½ 0 0 ½ 2.0/9
10 Jobava,Baadur 2706 2292 0 0 0 0 0 0 0 0 ½ 0.5/9

Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Gesamtstand nach 4 Spieltagen

# Land Name Rtg Lstg Punkte
1-2 Carlsen,Magnus 2851 2933 18.5/27
1-2 So,Wesley 2789 2873 18.5/27
3 Vachier-Lagrave,Maxime 2783 2833 16.5/27
4 Giri,Anish 2764 2835 15.5/27
5 Kramnik,Vladimir 2789 2832 15.0/27
6 Nepomniachtchi,Ian 2766 2796 14.0/27
7 Aronian,Levon 2780 2776 13.5/27
8 Anand,Viswanathan 2775 2775 13.0/27
9 Ivanchuk,Vassily 2757 2636 9.0/27
10 Jobava,Baadur 2703 2292 1.5/27

Für diese Tabelle wurde das eigene Rating System der Grand Chess Tour benutzt.

Am Sonntag sehen wir die selben Paarungen wieder, diesmal allerdings mit ungedrehten Farben. Das heißt, dass So und Carlsen wieder in der letzten Runde aufeinander treffen!

Ihr könnt alle Partien der Grand Chess Tour auf www.chess.com/tv und www.chess.com/live, täglich ab 14.00 Uhr verfolgen.

Die Kommentatoren vor Ort sind GM Maurice Ashley und GM Nigel Short. Sie werden von GM Yasser Seirawan, IM Jovanka Houska & GM Christian Chirilla von St. Louis aus, unterstützt

Beim Schnellschach wird jeder gegen jeden, bei einer Bedenkzeit von 25 Minuten, wobei die Uhr immer erst nach 10 Sekunden "zu ticken" beginnt, antreten. Das Blitzturnier ist eine Doppelrunde mit einer Bedenkzeit von 5 Minuten und die Uhr beginnt mit einer Verzögerung von 3 Sekunden zu laufen. Das Preisgeld in Löwen beträgt $150,000, wobei $37,500 an den Sieger gehen.


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Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.

Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.

Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.

As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!


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