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Grenke, Runde 6: Carlsen schüttelt seine Verfolger ab

Grenke, Runde 6: Carlsen schüttelt seine Verfolger ab

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Magnus Carlsen führt bei den Grenke Chess Classics plötzlich mit einem ganzen Punkt Vorsprung. Der norwegische Großmeister besiegte Georg Meier und der bis gestern noch punktgleiche Viswanathan Anand zog gegen Arkadij Naiditsch den kürzeren.

"Das war einfach nur ein Chaos…Ich glaube, ich habe die Stellung total verhunzt und dann einfach nur Glück gehabt," sagte Carlsen nach einer weiteren 6 Stunden Partie, die er am Ende gewonnen hatte.

Obwohl er ziemlich erschöpft wirkte, suchte Carlsen nach der Partie noch die Kommentatoren auf, denen er dann auch bestätigte, dass die vielen langen Partien, die er gespielt hat, ihren Tribut fordern.

"Ich war so müde und konnte nicht mehr rechnen," sagte er.  "Mein Spiel hat sich in den letzten Runden komplett verschlechtert. Es ist einfach so ... Heute konnte ich die Partie wieder nicht beenden und so wurde es wieder eine sehr lange Partie. Es ist ein bisschen frustrierend, aber ich habe plus drei und liege an der Spitze, also sollte ich mich nicht beschweren. Es ist nur so, dass die Qualität meiner Partien zu diesem Zeitpunkt keinesfalls die Punktzahl widerspiegelt."

Meier Carlsen 2019 Grenke Chess Classic
Meier und Carlsen geben sich die Hand - jetzt im Turniersaal von Baden-Baden. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen begann die Partie mit einem Aufbau, der eigentlich keinen Namen hat. Zuerst spielte er einige Züge wie im Königsindisch und dann vollzog er plötzlich ein Doppel-Fianchetto, wobei er seinen Bauern nicht auf b6, sondern auf b5 zog. Die holländische Schachlegende Jan Timman hat allerdings erst kürzlich den selben Aufbau gewäht.

"Ich dachte, dass ich nach der Eröffnung ganz gut stehen würde," sagte Carlsen. "Sein Plan mit Sa3-b5 gefiel mir nicht. Ich hatte das Gefühl, dass der Springer auf b5 nicht so gut war, wie er aussah."

Er opferte seinen a-Bauern, bekam dafür ein starkes Zentrum und dominierte die Stellung mit seinen aktiven Figuren und einer überraschend starken Dame auf a8. Aber der Todesstoß sollte, selbst nach Meiers "Selbstmordzug" 31.e3, nicht kommen.

Die Frage, warum er hier nicht mit seinem Läufer auf b4 geschlagen hatte, brachte den Weltmeister ins Stottern.

"Ich hatte nur über 34...Lg7 nachgedacht, aber nicht über 34...Lxb4, was ja Wahnsinn ist und einfach nur extrem dumm."

Carlsen 2019 Grenke Chess Classic
Carlsen wurde über irgendwas in der Eröffnung überrascht, aber es ist unklar, von was genau. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen benötigte einen weiteren Fehler von Meier, um die Partie zu gewinnen. "Wenn er passiv bleibt, endet die Partie wahrscheinlich mit einem Remis, auch wenn es höllig schwierig wäre, sich so lange zu verteidigen, besonders, wenn dann die Bedenkzeit knapp wird," sagte Carlsen.

“Es heißt ja, dass Zentralisation meistens die beste Methode ist, um anzugreifen," sagte Carlsen über die finale Stellung. In dem physischen Zustand, in dem er heute war, konnte er nur nach den allgemeinen Prinzipien spielen. Zum Abschluß nannte er die heutige Partie dann noch "ein totales Chaos."

Meier Carlsen 2019 Grenke Chess Classic
Meier gegen Carlsen.| Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen hatte das Turnier mit einem Vollbart begonnen, der aber heute verschwunden war. Kommentator Jan Gustafsson wies auf diesen Tweet von Anish Giri hin, den Carlsen noch gar nicht gesehen hatte:

Carlsen konterte, indem er auf Giris abschneiden in Shenzhen anspielte: “Nach der gestrigen Runde hatte ich schon Angst. Ich dachte, jetzt gewinnt er das Turnier!"

Auch auf die Frage, ob er Shenzen als Superturnier einstufen würde, hatte Carlsen eine Antwort:

“Irgendwie schon. Es ist eine Art schwaches Superturnier, aber irgendwie ist es eines. Ich meine, Ding spielt ja mit und er ist die Nummer 3 der Welt. Ich kenne die Feinwertung nicht, aber die morgige Runde wird wirklich spannend werden!”

Carlsen 2019 Grenke Chess Classic
Carlsen sieht sich Svidlers Stellung an. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen führt das Turnier nun mit einem ganzen Punkt Vorsprung vor nicht weniger als 6 punktgleichen Verfolgern an. Einer dieser Verfolger ist Arkadij Naiditsch der heute gegen Viswanathan Anand bemerkenswert einfach gewinnen konnte. Sein spanisches 4 Springer Spiel erwies sich als voller Erfolg, denn Schwarz war im Mittelspiel, bei dem ein starker Springer einen schwachen Läufer dominierte, ohne jegliches Gegenspiel. Den 5-maligen Weltmeister sieht man nicht alle Tage so untergehen.

Naiditsch 2019 Grenke Chess Classic
Naiditsch bot heute eine ganz starke Leistung. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Bemerkenswert war, dass diese Eröffnung in dieser Runde gleich zweimal gespielt wurde und auch diese Partie war sehr schnell zu Ende.

Paco Vallejo gab zu, dass er "ein schlechtes Gewissen hatte", dass er gegen Fabiano Caruana so schnell remisierte

“Es ist eine dieser Varianten für Schwarz, bei denen Du schnell große Probleme bekommst, wenn Du sie nicht kennst, aber ziemlich gefahrlos ein Remis erreichst, wenn Du keinen Fehler machst," Vallejo.

Peter Leko warf ein, dass jeder Spieler der oft Russisch spielt, das 4-Springer Spiel im Repertoire hat, und Caruana diese Variante natürlich kennen musste.

Vallejo sagte, dass er etwas anderes gespielt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Caruana diese Variante kennt.

Vallejo Caruana 2019 Grenke Chess Classic
Vallejo entschuldigte sich für das schnelle Remis von heute. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Vincent Keymer ließ seinem Sieg vom Mittwoch eine weitere exzellente Partie folgen. Das deutsche Nachwuchstalent rang Levon Aronian ein Remis ab und stand zeitweise sogar besser. Im Springerendspiel musste Aronian sogar aufpassen, nicht zu verlieren.

Keymer sagte, dass es nach seinem ersten Sieg nun leichter wäre zu spielen: "Es ist leichter, weil der Druck weg ist. Niemand will alle Partien verlieren, auch wenn man dabei gut spielt. Der Punkt war auch wichtig für mein Selbstvertrauen.”

Keymer Aronian 2019 Grenke Chess Classic
Keymer spielte heute erneut eine starke Partie. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Peter Svidler lud seinen Gegner Maxime Vachier-Lagrave zu einem sehr bekannten und etwas schlechteren Endspiel für Schwarz ein, das aus der symmetrischen Englischen Eröffnung entsteht, dachte aber nicht, dass MVL die Einladung annehmen würde:

"Der Grund, warum wir alle Maxime so sehr mögen ist ja, dass er sich nicht auf langweilige Endspiele einlässt," sagte Svidler. "Also sind wir fest davon ausgegangen, dass er 6...Dc7 spielen würde."

Der Franzose hatte dann die brilliante Idee 8...Ld7, welche in dieser Partie sehr gut funktionierte. Svidler war davon beeindruckt und wusste, dass eine Antwort darauf etwas riskant war: In den ersten 15 Zügen hatte er sieben Mal mit seiner Dame oder seinem Läufer gezogen.

"Dafür würde ich aus dem Pioneer’s Palace geworfen werden!" sagte Svidler.

Svidler 2019 Grenke Chess Classic
Svidler: "Für diese Partie würde ich aus dem Pionierpalast geworfen werden!"

 Grenke Chess Classics 2019 | Tabelle nach der 6. Runde

# Land Name ELO Leistung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 Punkte SB
1 Carlsen,Magnus 2845 2881 ½ ½ ½ 1 1 1 4.5
2 Naiditsch,Arkadij 2710 2792 ½ ½ 1 ½ 0 1 3.5 10.75
3 Caruana,Fabiano 2828 2783 ½ ½ ½ ½ ½ 1 3.5 10
4 Vachier-Lagrave,Maxime 2775 2797 ½ ½ ½ ½ ½ 1 3.5 9.75
5 Anand,Viswanathan 2779 2785 ½ 0 ½ ½ 1 1 3.5 9.25
6 Aronian,Levon 2761 2734 ½ ½ 1 ½ ½ ½ 3.5 9.25
7 Svidler,Peter 2737 2790 1 ½ ½ 0 ½ 1 3.5 9
8 Vallejo Pons,Francisco 2698 2642 0 ½ 0 ½ ½ ½ 2.0
9 Keymer,Vincent 2509 2566 0 0 0 0 ½ 1 1.5
10 Meier,Georg 2621 2442 0 0 ½ 0 ½ 0 1.0

Die Paarungen der 7. Runde lauten:

Vachier-Lagrave gegen Vallejo Pons
Keymer gegen Svidler
Carlsen gegem Aronian
Anand gegen Meier
Caruana gegen Naiditsch

Das Turnier ist jetzt von Karlsruhe in das Kulturhaus LA8 museum in Baden-Baden umgezogen, wo bis zum 29. April die letzten Runden gespielt werden.

Die Bedenkzeit beträgt 100 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 50 Minuten für 20 weitere Züge und dann 15 Minuten für den Rest der Partie. Zusätzlich erhalten die Spieler einen Zeitbonus von 30 Sekunden pro Zug. Remisgebote vor dem 40. Zug sind verboten.

Die Partien beginnen immer um 15:00 Uhr Ortszeit.

Ihr könnt das Turnier hier auf unserer Event-Seite verfolgen. Die Partien werden auf Live Chess übertragen.

IM Levy Rozman wird von dem Turnier auf seinem Twitch Kanal GothamChess berichten.


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PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.

Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.

Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.

As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!


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