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FIDE Grand Prix Berlin Runde 4: Nakamura gelingt die Revanche gegen Aronian
Nakamura won on demand to recover dramatically in his group. Photo: World Chess.

FIDE Grand Prix Berlin Runde 4: Nakamura gelingt die Revanche gegen Aronian

chansen64
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

In der vierten Runde des FIDE Grand Prix Turniers in Berlin bekamen wir nicht weniger als fünf Siege zu sehen. In der Gruppe A übernahm Grigoriy Oparin durch seinen Sieg die Führung. Schützenhilfe bekam er dabei von Hikaru Nakamura, der sich gegen Levon Aronian für seine Niederlage in der ersten Runde revanchieren konnte.

In der Gruppe B teilen sich jetzt Leinier Dominguez Perez und Shakhriyar Mamedyarov den Platz an der Sonne, während in den Gruppen C und D nach den heutigen Siegen von Maxime Vachier-Lagrave und Amin Tabatabaei alle acht Spieler 2 Punkte auf ihrem Konto haben. 

Die fünfte Runde beginnt am Sonntag, dem 27. März, um 15.00 Uhr.

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Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Hier seht Ihr eine Aufzeichnung der Übertragung der vierten Runde:

Da am Samstag ein Ruhetag ist, schien den Spielern klar gewesen zu sein, dass sie am Freitag die perfekte Gelegenheit hatten, sämtliche Energie in diese Partie zu legen und den nächsten Tag zum Ausruhen zu nutzen. Und einige Spieler haben möglicherweise auch erkannt, dass sie, wenn sie nicht bald anfangen, einige Partien zu gewinnen, zwar vielleicht ein ordentliches Turnier spielen, aber trotzdem ausscheiden und ihre einzig verbleibende Chance auf einen Startplatz beim Kandidatenturnier in diesem Sommer in Madrid, verspielt haben würden.

Durch die Niederlage von Aronian gegen einen stark aufspielenden Nakamura konnte der Sieger der Partie Oparin gegen Andrey Esipenko die Tabellenführung übernehmen und Oparin packte diese Chance beim Schopf. Mamedyarov konnte durch seinen Sieg über Vincent Keymer mit Dominguez gleichziehen während sich Vachier-Lagrave und Tabatabaei für ihre jeweiligen Auftaktniederlagen revanchieren und in ihren jeweiligen Gruppen einen absoluten Gleichstand herstellen konnten. Welche eine Runde! 


Gruppe A

In der Gruppe A führt seit heute der Spieler mit der niedrigsten Elo die Tabelle an: Grigoriy Oparin

Anfangs der Runde waren aber alle Augen auf die Partie zwischen Nakamura und Aronian gerichtet. Zu sagen, dass Nakamura im bisherigen Turnierverlauf ziemliche Probleme hatte, ist keine Untertreibung. Er hatte die erste Runde gegen Aronian verloren und in den folgenden Runden geriet er in wirklich schlechte Stellungen. Das schien ihn jedoch nur motiviert zu haben, heute sein Bestes zu geben.

Nakamura war heute extrem konzentriert. Foto: World Chess.

11 Züge lang folgten die Spieler der gestrigen Partie von Aronian gegen Esipenko und dann variierte Nakamura mit 12.a4, was laut Engines auch der beste Zug ist. Weiß entwickelte etwas Initiative, aber es schien, als würde Schwarz gut in der Partie bleiben.

Nach der Partie dachte Aronian, dass 23...b6 der kritische Fehler war, aber erst nach dem Zug 33...Txa4 erlangte Weiß einen wirklichen Vorteil. Es sollte aber gesagt werden, dass der beste Zug von Schwarz, der alles andere als offensichtliche Zug 33...Tf5 gewesen war. Dieser Zug hätte Schwarz gerade noch genug Gegenspiel gegeben hätte, um in der Partie zu bleiben. Nach diesem Fehler gab Nakamura den Vorteil nie mehr aus den Händen und verwandelte überzeugend.

Nachdem er einen Blick auf die zweite noch laufende Partie dieser Gruppe geworfen hatte, sagte Nakamura:

Komisch. Dieses Ergebnis ist wahrscheinlich für uns beide schlecht, weil Grigoriy seine Partie wohl gewinnen wird.

—GM Hikaru Nakamura

Da Oparin in den nächsten Partien auf Aronian und Nakamura treffen wird, haben wir die spannendste Ausgangslage, die wir uns nur wünschen können: Beide Amerikaner müssen gegen den gebürtigen Münchner Oparin gewinnen, um an ihm in der Tabelle vorbeiziehen zu können.

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In einer rein russischen Begegnung spielte Oparin mit Weiß gegen Esipenko, der im Gegensatz zu Nakamura in all seinen bisherigen Partien vorteilhafte Stellungen erreicht hatte, ohne jedoch einen vollen Punkt einfahren zu können. Aber auch Oparin konnte gestern gegen Nakamura eine absolut gewonnene Stellung nicht gewinnen.

Oparin (links) gegen Esipenko. Photo: World Chess.

In einer Nimzo-Indischen Eröffnung wählte Oparin mit Weiß sein solides und vermeintlich harmloses Setup, dass sein Landsmann Alexandr Predke schön öfters verwendet hat. Nach Esipenkos ungenauem Zug 10...c5 bekam Weiß dann überraschend schnell einen kleinen, aber klaren Vorteil. Tatsächlich ist die gesamte Partie ein Paradebeispiel dafür, wie man gegen einen isolierten d-Bauern spielt: Blockieren, Figuren tauschen, Druck erhöhen, Killen:

Durch diesen Sieg hat Oparin die Tabellenführung in der Gruppe A übernommen. Im Interview nach der Partie spielte er aber die Bedeutung der Tabelle herunter: "Das spielt jetzt noch überhaupt keine Rolle. Es sind noch zwei Runden zu spielen und wir sind alle nur durch einen halben oder einen Punkt getrennt, also kann noch jeder diese Gruppe gewinnen."

... everybody are within half a point to one point, so everyone could win.

—GM Grigoriy Oparin

Gruppe B

Durch seinen heutigen Sieg konnte Mamedyarov mit Dominguez in der Tabelle gleichziehen.

Der Held von gestern, Keymer, wurde heute von einem hoch motivierten Mamedyarov wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Der Aserbaidschaner wollte nach seinen 6 Remis in Belgrad und seinen bisherigen 3 Remis in Berlin endlich seine erste Partie in dieser Grand-Prix-Serie gewinnen und es wurde schnell klar, dass dies nicht der Tag von Keymer werden würde. Mamedyarov spielte die englische Eröffnung, für die sich die Top-Spieler häufig entscheiden, wenn sie analysierte Varianten vermeiden und interessantere Stellungen bekommen wollen.

Mamedyarov wählte die Englische Eröffnung. Foto: World Chess.

Mamedyarov überraschte seinen Gegner, die Kommentatoren und die Experten der englischen Eröffnung mit seinem fast nie zu sehenden Zug 7.Sh4. In einigen Varianten wird dieser Springer dann einfach am Rand gefangen, aber genau das war Mamedyarovs Idee. Er wollte Keymer dazu verlocken, diesen Springer zu jagen und dann zuschlagen. Leider (aus deutscher Sicht) hat dieser Plan auch perfekt funktioniert. Keymer stürzte sich auf den Köder und endete wie ein Fisch am Haken. Bereits im 16. Zug hatte Weiß schon fast eine Gewinnstellung. Dass Keymer dann noch über 40 weitere Züge durchhalten konnte, lag daran, dass Mamedyarov auf Nummer sicher ging und sich keine Gedanken darüber machte, wie lange es dauern würde, bis er gewinnt.


In der anderen Partie dieser Gruppe spielte Tabellenführer Dominguez gegen den Träger der roten Laterne, Daniil Dubov. In einem Dreispringerspiel versuchte der amerikanische Großmeister das ungewöhnliche 6.a4 gefolgt von 8.Sd5, was Weiß ein kleines Plus zu geben schien. Nach einigen ungenauen Zügen von Weiß war Schwarz jedoch wieder voll in der Partie. Im späten Mittelspiel, kurz vor der Zeitkontrolle im 40. Zug, spielte Dubov etwas zu schnell und ermöglichte Weiß einige Chancen zu, die Dominguez jedoch verpasste. Nach der Zeitkontrolle hatte Weiß mit Läufer gegen Springer und Bauern auf beiden Flügeln zwar ein angenehmes Endspiel, aber für einen Sieg war es zu wenig.

Gruppe C

Da Vachier-Lagrave gegen Predke gewinnen konnte, liegen in der Gruppe C alle Spieler gleichauf.

Als erstes war aber die Partie zwischen Wesley So und Sam Shankland beendet. In einer Fianchetto Variante der Grünfeld-Verteidigung spielte Shankland den soliden Zug ...c7-c6 und verhinderte damit, dass Weiß ein großes Zentrum bekommt. Weiß erspielte sich danach zwar einen kleinen Vorteil, aber nach nur einem ungenauen Zug schlug Shankland mit dem exzellenten Zug 16...g5 zurück und erlangte die Initiative. Allerdings konnte er damit nicht viel anfangen und schließlich tauschten die Spieler in ein remises Turmendspiel ab.  

Vachier-Lagrave benötigte dringend einen Sieg, denn aufgrund seiner Elo wird er sich wohl nicht für das Kandidatenturnier qualifizieren und deshalb muss er Grand-Prix-Punkte sammeln. Gegen Predke, der ihm in Runde eins dieses Turniers übel zugesetzt hatte, hatte er nun mit Weiß eine perfekte Gelegenheit, sich für die Niederlage zu revanchieren und in der Gesamtwertung aufzuholen. Die Spieler wiederholten ihre Eröffnungszüge aus ihrer Partie in Belgrad: Die Zaitsev-Variante der Spanischen Eröffnung. Beide Spieler haben diese Variante schon unzählige Male gespielt.

Vachier-Lagrave konnte heute gewinnen. Foto: World Chess.

Mit dem Zug 12.La2 wich Vachier-Lagrave von der Partie aus Belgrad ab. Er verschaffte sich einen leichten Vorteil, der aber lange nicht anwachsen wollte. Als sich die Spieler der Zeitkontrolle näherten und sich die Stellung verschärft hatte, opferte der französische Großmeister, in der Hoffnung, Predke aus seiner Komfortzone zu locken, seine Dame für einen Turm und eine Leichtfigur und es funktionierte! Nach der Partie sagte er:

Es war riskant, aber ich wusste, dass ich Chancen bekommen würde und das war alles, worauf ich in dieser Situation hoffen konnte.

—GM Maxime Vachier-Lagrave

Nach zwei schweren Fehlern von Schwarz kurz vor dem 40. Zug hatte sich Weiß einen entscheidenden Vorteil gesichert. Ein fantastischer strategischer Kampf, der von einer taktischen Tollheit gekrönt wurde.

Gruppe D

Auch in der Gruppe D könnte es nicht spannender zugehen. Nach Tabatabaeis Sieg über den (ehemaligen) Tabellenführer Vitiugov und einem Remis zwischen den Großmeistern Yu Yangyi und Anish Giri liegen zwei Runden vor Schluss alle vier Spieler gleichauf.

In der ersten Runde konnte Vitiugov gegen Tabatabaei eine tolle Partie gewinnen. Die heutige Partie war fast eine Kopie der ersten Partie - nur mit umgekehrten Farben.

In einer soliden und beliebten Variante der Slawischen Verteidigung schien Schwarz gerade ausgeglichen zu haben, nur um gleich danach einen Fehler zu machen. Danach spielte der junge iranische Großmeister mit atemberaubender Präzision, verbesserte seine Stellung immer weiter, setzte Schwarz immer mehr unter Druck und verwandelte den Vorteil schließlich im Endspiel in einen vollen Punkt. Eine Demonstration, die wohl niemand erwartet hatte.

In der anderen Partie dieser Gruppe traf Yu Yangyi auf Anish Giri und beide Spieler hätten sich mit einem Sieg in eine hervorragende Ausgangslage bringen können, um sich für das Halbfinale und möglicherweise für das Kandidatenturnier zu qualifizieren.

Yu Yangyi spielte gegen Anish Giris Grünfeld das sogenannte Russische System mit 5.Db3 und mit 10.Sg5 brachte er den holländischen Großmeister aus seiner Vorbereitung. Giri gab nach der Partie zu, dass er alles vergessen hatte. Nach einer Neuerung im 14. Zug stand der Chinese bereits klar besser.

Beide Spieler hätten einen Sieg gut gebrauchen können. Foto: World Chess.

Der größte Teil des Vorteils verschwand, als sich der chinesische Großmeister für 23.Sd6 entschieden hatte. Dieser Zug gewann zwar eine Qualität, aber seine Initiative ging dafür verloren.

In gegenseitiger Zeitnot unterliefen dann beiden Spielern mehrere Fehler, aber besonders Yu Yangyi schien einige gute Züge, die ihm einen entscheidenden Vorteil hätten verschaffen können, verpasst zu haben. Und so musste sich der Chinese am Ende mit einem Remis durch Dauerschach begnügen. Trotzdem war es ein toller Kampf.

Ergebnisse & Tabellen

Alle Partien der vierten Runde

Der FIDE Grand Prix in Berlin ist das dritte und letzte Turnier des FIDE Grand Prix 2022. Es findet vom 22. März bis um 4. April statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 14.00 Uhr.


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