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Carlsen gewinnt das Norway Chess trotz einer Niederlage in der letzten Runde
Carlsen made his final move but then stopped the clock vs. Aronian. Photo: Lennart Ootes/Norway Chess.

Carlsen gewinnt das Norway Chess trotz einer Niederlage in der letzten Runde

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Weltmeister Magnus Carlsen, der beim Altibox Norway Chess Turnier bereits seit Freitag als Sieger feststand, hat das Turnier mit einer Niederlage gegen Levon Aronian beendet. Aronian hat sich durch diesen Sieg den dritten Platz gesichert.

Alireza Firouzja gewann in der letzten Runde gegen Jan-Krzysztof Duda und beendete das Turnier damit auf einem hervorragendem zweiten Platz. Fabiano Caruana benötigte in der letzten Runde ein Armageddon, um das Duell gegen Aryan Tari zu gewinnen.

Partien
Alle Partien des Turniers findet Ihr hier auf unserer Live Plattform.


Norway Chess 2020 | Abschlusstabelle

# Land Name Elo 1 2 3 4 5 6 Punkte Preis (NOK) Preis (€)
1 Carlsen 2863 1.5 3 1.5 0 3 1.5 0 3 3 3 19.5 700K 63,700
2 Firouzja 2728 1 0 1.5 1.5 1.5 1 3 3 3 3 18.5 370K 33,670
3 Aronian 2767 1 3 1 1 3 0 3 1 3 1.5 17.5 230K 20,930
4 Caruana 2828 0 1 1 1.5 0 3 3 1.5 3 1.5 15.5 180K 16,380
5 Duda 2757 3 0 0 0 0 1.5 0 1 1 3 9.5 170K 15,470
6 Tari 2633 0 0 0 0 0 1 0 1 1.5 0 3.5 160K 14,560

Bevor wir uns aber mit der letzten Runde befassen, wollen wir noch einen Blick auf eine Tabelle werfen, die nur die klassischen Partien enthält und diese mit dem im Schach üblichen Punktesystem auswertet. Dann hätte nämlich Aronian, der seine Armageddon-Partien gegen Firouzja und Carlsen verloren hatte, das Turnier aufgrund der besten Sonneborn-Berger Feinwertung gewonnen!

Norway Chess 2020 | Nur die klassischen Partien

# Land Name Elo Leistung 1 2 3 4 5 6 Punkte SB
1 Aronian, Levon 2767 2869 ½1 ½½ 10   6.5 29.25
2 Carlsen, Magnus 2863 2851 ½0 ½1 1 11   6.5 27.75
3 Firouzja, Alireza 2728 2877 ½½ ½0 ½½ 11 11   6.5 25.25
4 Caruana, Fabiano 2828 2785 01 ½½   5.5
5 Duda, Jan-Krzysztof 2757 2657 10 00 ½1   3.5
6 Tari, Aryan 2633 2488 00 00 ½0   1.5

Nach seinem Sieg gegen Firouzja in der vorletzten Runde, mit dem er sich den Turniersieg gesichert hatte, sagte Carlsen unter anderem: "Natürlich habe ich viele Erfahrungen wie diese gemacht. Ich habe ohne Grund zwei Turmendspiele gegen Levon verloren. Das ist Teil des Lernprozesses."

Als hätte diese Aussage sein Spiel in der letzten Runde verhext, beendete Carlsen sein Turnier mit einer Niederlage gegen Aronian. "Ohne jeden Grund" hinzuzufügen, wäre wohl zu viel des Guten, aber er hatte kurz vor dem Ende noch ein Remis erreichen können:

.

Die Stellung nach 49...b4.

Hier schlug Carlsen überraschenderweise den Bauern auf f6 und verlor dabei ein wichtiges Tempo. Die Analyse zeigt aber, dass die Züge 50.h5 (Aronian), 50.Tg7+ (Kramnik/Polgar) und sogar 50.g5 (Engine) das Remis gehalten hätten.

Carlsen rook endgame Aronian Norway
Carlsen ist dabei, seinen fatalen Zug 50.Txf6+ zu spielen. Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

GM Vladimir Kramnik war von Carlsens Fehler sehr überrascht. Es sollte aber erwähnt werden, dass der Weltmeister zu diesem Zeitpunkt nur noch 5 Minuten (plus 10 Sekunden pro Zug) auf seiner Uhr hatte, während Aronian noch 21 Minuten (natürlich ebenfalls plus 10 Sekunden für jeden Zug) für den Rest der Partie zur Verfügung standen.

Kramnik dachte, dass Carlsen wohl eine "mathematische Motivation" brauche, um in der letzten Runde gut zu spielen. "Heute hat er für seine Verhältnisse richtig schlecht gespielt."

Carlsen hatte davor seit fast 3 Jahren keine klassische Partie mit Weiß verloren. Das letzte Mal passierte ihm das am 10. Dezember 2017 bei den London Chess Classics gegen Ian Nepomniachtchi.

Levon Aronian Norway Chess
Aronian: "Ich glaube, ich habe heute nicht besser als sonst gegen ihn gespielt - aber er zeigte heute weniger Widerstand." Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

Trotz einiger positiver Momente war Magnus Carlsen mit seinem Schach in den letzten beiden Wochen nicht besonders zufrieden. Und wie es weitergeht, ist ihm genauso unklar, wie uns allen.

Carlsen Aronian Norway Chess 2020
Carlsen ist kurz davor, seine Partie gegen Aronian aufzugeben. Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

Firouzja hatte sich von seiner unglücklichen Niederlage gegen Carlsen bestens erholt. Der iranische Teenager schlug Duda in einer guten Partie, holte die drei Punkte für einen klassischen Sieg und belegte den zweiten Platz in der Abschlusstabelle. In seinen Kommentaren nach dem Spiel zeigte er den Ehrgeiz eines wahren Champions:

"Heute bin ich glücklich, aber im Allgemeinen bin ich ein bisschen enttäuscht, weil ich kurz davor war, das Ganze zu gewinnen! Ich denke, so etwas passiert einfach. Ich glaube, ich habe ein anständiges Turnier gespielt und habe ein gutes Ergebnis erzielt. Mit Ausnahme der gestrigen Partie hatten wohl alle Partien eine ziemlich gute Qualität."

Auf die Frage, was gegen Carlsen passiert sei, sagte er: "Gestern habe ich gegen mich selbst verloren."

Alireza Firouzja
Firouzja: "Heute bin ich glücklich, aber im Allgemeinen bin ich ein bisschen enttäuscht, weil ich kurz davor war, das Ganze zu gewinnen!" Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

Caruana beendete ein Turnier, das für ihn so oh-la-la gelaufen war, mit einem Armageddon Sieg über Tari. In der klassischen Partie entschied er sich für ein interessantes Qualitätsopfer, das er aber falsch eingeschätzt hatte.

"Ich bin ein bisschen überrascht", sagte er. "Während der Partie dachte ich, dass Weiß nach 20.Txe6 eine wirklich gute Stellung haben muss. Dann wurde mir aber plötzlich klar, dass ich nach 21.Lxh6 Tf7 wahrscheinlich überhaupt nicht besser stehe. Nicht einmal geringfügig besser."

Caruana Tari stalemate Norway Chess
Caruana und Tari beendeten die klassische Partie mit einem Patt. Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

Seinen Sieg im Armageddon nannte Caruana "reibungslos." Über den Zug 17...Sd4 hat er sich gefreut, denn danach wurde die Partie kompliziert. "Genau das habe ich gebraucht, um auf Sieg spielen zu können."

Caruana wies darauf hin, dass er während des Turniers etwas abgelenkt war. Er stand während des gesamten Turniers in regelmäßigem Kontakt mit der FIDE, die gestern das Kandidatenturnier erneut verschoben hat!

"Während des Turniers haben wir uns ständig mit dem Kandidatenturnier befasst und uns gefragt, ob es gespielt werden würde oder nicht", sagte Caruana. "Noch bevor klar wurde, dass es am 1. November einfach nicht gestartet werden konnte, war der allgemeine Tenor schon so, dass es erneut verschoben werden würde."

Der amerikanische Großmeister hält das für eine gute Entscheidung. "Ich denke nicht, dass wir die Sicherheit vom Menschen gefährden sollten, um Schach zu spielen."

Caruana-Tari armageddon Norway Chess
Caruana denkt, dass sein nächstes Turnier erst das Tata Steel Chess im Jänner in Holland sein wird. Foto: Lennart Ootes/Norway Chess.

Das nächste große Ereignis mit Top-Großmeistern ist somit das Speed Chess Invitational am Sonntag, dem 25. Oktober, bei dem 16 Spieler um zwei Startplätze für die mit $100,000 dotierte Speed Chess Championship, die vom 26. Oktober bis zum 13. Dezember gespielt werden wird, kämpfen. Ein Top-Großmeister hat dann auch den Verdacht geäußert, dass Chess.com das Kandidatenturnier wohl sabotiert hat, um bei der Speed Chess Championship die volle Aufmerksamkeit der Schachwelt zu haben.

Speed Chess Championship Invitational

Das Norway Chess war ein Doppelrunden-Turnier für 6 Spieler. Es fand vom 5. bis zum 16. Oktober 2020 im Clarion Hotel in Stavanger, Norwegen, statt. Die Bedenkzeit betrug 2 Stunden für die gesamte Partie plus 10 Sekunden Inkrement ab dem 41. Zug.

Bei einem Remis spielten die Spieler 20 Minuten nach Ende der Partie ein Armageddon. Die Farben wurden dabei beibehalten und die Bedenkzeit betrug 10 Minuten für Weiß und sieben Minuten für Schwarz. Beide Spieler hatten ab dem 41. Zug ein Inkrement von einer Sekunde pro Zug.

Die Punkte wurden wie folgt vergeben:

  • Sieg in der klassischen Partie: 3 Punkte
  • Niederlage in der klassischen Partie: 0 Punkte
  • Remis in der klassischen Partie & Sieg im Armageddon: 1.5 Punkte
  • Remis in der klassischen Partie & Niederlage im Armageddon: 1 Punkt


Weitere Berichte vom Norway Chess Turnier (alle auf Englisch):

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.

Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.

Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.

As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!


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