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FIDE Kandidatenturnier 2020: Ein genial vorbereiteter Caruana holt auf
Fabiano Caruana (links) und Maxime Vachier-Lagrave diskutieren nach der Partie noch einige Varianten. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

FIDE Kandidatenturnier 2020: Ein genial vorbereiteter Caruana holt auf

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Das FIDE Kandidatenturnier geht seit gestern endlich weiter.

Fabiano Caruana kehrte mit einer beeindruckenden Eröffnungsvorbereitung nach Jekaterinburg zurück, seine Partie gegen Maxime Vachier-Lagrave gewann er aber erst tief im Endspiel.

Caruana liegt jetzt gemeinsam mit MVL auf dem zweiten Platz und Ian Nepomniachtchi führt nach seinem Remis gegen Anish Giri die Tabelle wieder alleine an. Kirill Alekseenko gewann gegen Alexander Grischuk seine erste Partie in diesem Turnier und die beiden Chinesen Wang Hao und Ding Liren remisierten ihre Partie bei der ersten sich dafür bietenden Gelegenheit.

So könnt Ihr zusehen:
Das Kandidatenturnier könnt Ihr jeden Tag auf Chess.com/TV verfolgen.

Die deutschsprachige Übertragung mit den Kommentatoren IM Steve Berger und IM Elli Pähtz könnt Ihr auf Twitch und YouTube ansehen.

Die Übertragung wird von Grip6 gesponsert. Wenn Ihr auf grip6.com/pages/chess den Code CHESS20 verwendet, bekommt Ihr auf alle Produkte 20% Rabatt.

Die neunte Runde beginnt am Dienstag, dem 20. April um 13 Uhr deutscher Zeit. Alle Partien findet Ihr hier auf unserer neuen Seite Chess.com/events. Alle Informationen über das Kandidatenturnier findet Ihr in unserem Info-Artikel.

Die Chess.com Übertragung der 8. Runde.


Ein "surreales" Turnier, wie Caruana es ausdrückte, ist endlich wieder im Gange. Die siebte Runde fand am 25. März 2020 statt und genau 390 Tage später spielten die Spieler im selben Spielsaal, in dem fast alles gleich aussah, weiter.

"Ich habe das Gefühl, dass ich erst gestern auf diesem Sofa gesessen bin", sagte Giri. "Gestern nach Runde Sieben war ich auf diesem Sofa gesessen und heute sitze ich wieder da und es ist Runde Acht."

Ich habe das Gefühl, dass ich erst gestern auf diesem Sofa gesessen bin.
—Anish Giri

In dieser ersten Runde der zweiten Halbzeit wurde deutlich, dass die lange Pause die Spannung noch weiter erhöht hat. Es war, als ob mit so viel zusätzlicher Zeit, um sich auf nur sieben Partien vorzubereiten, die Vorbereitungen noch intensiver waren, als wenn das Turnier letztes Jahr einfach weitergegangen wäre.

"Es ist natürlich sehr stressig", sagte Caruana. "Kandidatenturniere sind immer stressig, aber dieses ganz besonders. Und es fühlt sich auch sehr seltsam an, wieder hier zu sein."

Caruana Vachier-Lagrave Candidates 2021
Ein Jahr später schütteln sich die Spieler wieder die Hände. In der Mitte sehen wir den 12. Weltmeister Anatoly Karpov, der den ersten Zug gespielt hat. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Obwohl alle Spieler unglaublich gut vorbereitet nach Jekaterinburg gekommen waren, war es Caruana, der die Chance bekam, es zu zeigen. Er entwickelte ein beeindruckendes Konzept, bei dem er zuerst drei Bauern und dann auch einen Läufer opferte.

Dies geschah in der Poisoned Pawn Variante im Najdorf, also der gleichen Eröffnung, die diese Spieler vor drei Monaten beim Tata Steel Chess-Turnier auch auf dem Brett hatten. Die Idee, den Läufer zu opfern, hatte Caruanas Sekundant Rustam Kasimdzhanov und Caruna hatte sie schon mehrere Monate im Regal. Kasimdzhanov gab heute zu, dass die Idee zu gut war, um sie in Wijk aan Zee zu zeigen!

Hier spielte Caruana den tierischen Zug 18.Lc4!!? Dxc4 19.Ld6.

Da Vachier-Lagrave in Wijk aan Zee gleich zwei Partien mit der Poisoned Pawn Variante verloren hatte, war es für ihn vielleicht genauso mutig, den Najdorf noch einmal zu versuchen. Allerdings machte es für MVL aber auch durchaus Sinn, zur beliebtesten aller Sizilianisch-Varianten, die schon Spieler wie Bobby Fischer und Garry Kasparov gespielt haben, zurückzukehren. Der einfache Grund dafür ist, dass es einfach eine sehr gute Eröffnung ist.

Und zugegebenermaßen kam der Franzose, dank seiner hervorragenden Entscheidung, das Material mit dem exzellenten Zug 19...Sf6! sofort zurückzugeben, gut aus der Eröffnung.

"Maxime hat die beste Fortsetzung gefunden," sagte Caruana. "Ich war schon etwas verärgert, dass er 19…Sf6 gefunden hat. Denn das ist der beste Zug und er ist sehr schwer zu finden."

Ich war schon etwas verärgert, dass er 19…Sf6 gefunden hat.
—Fabiano Caruana

Obwohl er diesen Zug gefunden hat, hatte MVL zu seiner eigenen Überraschung aber noch weitere Probleme zu lösen. "Dann kam es zu diesem Endspiel, von dem ich dachte, es sollte ziemlich leicht zu halten sein, aber vielleicht habe ich ein paar Ungenauigkeiten gemacht. Ich weiß es nicht genau", sagte er. 

Maxime Vachier-Lagrave 2021 Candidates
Vachier-Lagrave, tief im Endspiel versunken. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Nachdem er den Zug 26...Ta7, der zu einem relativ sicheren Remis geführt hätte, verpasst hatte, fand sich Vachier-Lagrave in einem Endspiel mit einer Qualität weniger wieder, in dem er allerdings eine Festung hatte. Auf der Pressekonferenz wurde ihm gezeigt, dass sein Springer auf g7 die kritischen Felder e6, e5, f5, g5 und h5 allesamt kontrolliert hätte.

Diese Stellung hätte MVL erreichen können.

"Ich dachte wirklich, dass das ein ganz einfaches Remis wäre, aber dann wurde es chaotisch," sagte Vachier-Lagrave. Schließlich konnte er nicht mehr verhindern, dass der weiße König das Feld h5 erreichen konnte und musste nach weit über 6 Stunden Spielzeit das Handtuch werfen. Damit hat jetzt jeder der 8 Teilnehmer mindestens eine Partie verloren. 

Fabiano Caruana 2021 Candidates
Ein großer Sieg für Caruana. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Seit fast 13. Monaten lag Nepomniachtchi auf dem zweiten Platz (punktgleich mit MVL), aber durch sein Remis gegen Giri hat er wieder den Platz an der Sonne.

Der russische Großmeister, der als einziger Teilnehmer seit dem Beginn der Pandemie ein Turnier an echten Brettern, nämlich die russische Meisterschaft im Dezember, gewinnen konnte, nennt die zweite Hälfte dieses Turniers ein komplett anderes Turnier. "Jeder der Spieler konnte sich ein Jahr darauf vorbereiten, aber wie es sich heute gezeigt hat, reicht manchmal selbst ein ganzes Jahr nicht aus!"

Er hat damit gemeint, dass er sich gegen Giris Sveshnikov überhaupt keinen Vorteil erspielen konnte. Nepo war von der Eröffnung aber auch überrascht, denn normalerweise bevorzugt Giri den Najdorf und der Holländer hat sogar kürzlich einen Eröffnungskurs über die Najdorf-Variante veröffentlicht. Laut der Datenbank hat Giri erst einmal zuvor die Sveshnikov-Variante gespielt: Bei der PRO Chess League auf Chess.com, im Jahr 2019.

Max Warmerdam Anish Giri Candidates
Giri zeigte in der Eröffnung Flexibilität und spielte die Sveshnikov-Variante. Er reiste mit Max Warmerdam als Sekundanten nach Jekaterinburg (hier ist das Duo während des technischen Treffens zu sehen), dem gleichen Spieler, der GM Jorden van Foreest geholfen hat, in diesem Jahr das Tata Steel Turnier zu gewinnen . Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Nepomniachtchi gab zu, dass er vom Sveshnikov überrascht wurde. Es war eine der wenigen Eröffnungen, die er am Vormittag vor der Partie nicht wiederholt hatte. "Ich glaube, ich hab dann auch ziemlich früh die Züge verwechselt" sagte er und bezeichnete seinen 16. Zug als "tollpatschig".

Schwarz hatte keine Probleme aber viele Experten waren der Meinung, dass Nepo das Remis zu früh akzeptiert hatte. "Natürlich ist die Stellung spielbar, aber ich denke, ich habe überhaupt keinen Vorteil," sagte er dazu.

Giri nannte die Partie "sehr subtil" und witzelte: "Ich hatte ein Jahr Zeit und eine Variante zu finden, in der Schwarz nach 1.e4 einen Vorteil hat. Ich brauch aber noch etwas mehr Zeit."

Ich hatte ein Jahr Zeit und eine Variante zu finden, in der Schwarz nach 1.e4 einen Vorteil hat. Ich brauch aber noch etwas mehr Zeit.
—Anish Giri

Giri Nepomniachtchi Candidates press conference
Giri und Nepomniachtchi bei der Pressekonferenz. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Alekseenko konnte in der ersten Hälfte des Turniers überhaupt keinen Sieg landen, aber heute war es endlich so weit. Dabei hat er Grischuk einen schweren Schlag versetzt und die Chancen seines Landsmannes auf den Turniersieg tendieren jetzt gegen null.

"Ich war einfach froh wieder Schach spielen zu können und habe versucht, mein Bestes zu geben," sagte der 23-jährige Großmeister bescheiden.

Es war eine Partie zwischen zwei Spielern, die seit dem letzten Jahr keine einzige Partie an einem Schachbrett mehr gespielt hatten. Sie waren zwar beide bei den Titled Tuesday Turnieren auf Chess.com recht aktiv, aber das Berühren von echten Figuren ist doch etwas anderes und so verbrauchten beide Spieler von Anfang an viel Zeit und beide kamen in Zeitnot.

In gewisser Weise wurde Alekseenko für sein sehr schönes Spiel im Damenlosen Mittelspiel belohnt. Er platzierte seinen Läufer auf d6, zentralisierte seinen König und opferte dann eine Qualität, um praktische Chancen zu erhalten. Grischuk hätte das Endspiel jedoch möglicherweise noch einige Züge, nachdem Alekseenko geglaubt hatte, er würde gewinnen, noch remisieren können.

Kirill Alekseenko Candidates
Kirill Alekseenko, kurz vor seinem ersten Sieg. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Die Partie zwischen Wang und Ding dauerte nur etwa 90 Minuten und endete mit einer Zugwiederholung im 28. Zug in einer theoretischen Stellung der Schottischen Eröffnung. Es war übrigens die erste Runde in diesem Turnier, in der alle Partien mit dem Zug 1.e4 begonnen haben.)

"Diese Variante ist so bekannt, dass ich glaube, Wang Hao hatte kein großes Interesse an dieser Partie," sagte Chess.com Kommentator Vishy Anand und wie es sich noch zeigen sollte, kam er der Wahrheit ziemlich nahe.

"Ich hatte ein großes Problem mit dem Jetlag und letzte Nacht überhaupt nicht gut geschlafen. Deshalb habe ich beschlossen, etwas Einfaches zu spielen und einfach nur die Theoriekenntnisse meines Gegners zu testen", sagte Wang.



Ding Liren Wang Hao Candidates
Ding Liren und Wang Hao sehen sich einige Varianten an. Foto: Lennart Ootes/FIDE.

Tabelle nach der 8. Runde

# Land Name Elo Lstg. 1 2 3 4 5 6 7 8 Punkte SB
1 Nepomniachtchi, Ian 2789 2858 ½ 0 1 ½ ½ 1 5.0
2 Caruana, Fabiano 2820 2808 ½ ½1 ½ ½ 1 ½ 0 4.5 18.5
3 Vachier-Lagrave, Maxime 2758 2822 1 ½0 ½ ½ ½ ½ 1 4.5 17.75
4 Giri, Anish 2776 2773 ½ ½ ½ 1 ½ ½ 4.0 15.75
5 Wang Hao 2763 2774 0 ½ ½ ½ ½ ½ 4.0 14.5
6 Alekseenko, Kirill 2696 2737 ½ 0 ½ 0 ½ ½1 ½ 3.5 13.5
7 Grischuk, Alexander 2777 2718 ½ ½ ½ ½ ½ ½0 ½ 3.5 14.25
8 Ding Liren 2791 2680 0 1 0 ½ ½ ½ 3.0

(Feinwertung: 1. Direkter Vergleich, 2. Anzahl der Siege, 3. Sonneborn-Berger.)

Die Paarungen der 9. Runde lauten: Alekseenko-Caruana-Vachier-Lagrave, Grischuk-Nepomniachtchi, Giri-Wang, Ding-MVL. See Den gesamten Spielplan findet Ihr hier.

Bei den Pressekonferenzen wurden die Spieler gefragt, was sie im letzten Jahr neben dem Online-Spielen gemacht haben. Wang sagte, dass er einmal ins Kino gegangen ist und sich vier Filme hintereinander angesehen hat. MVL wies darauf hin, dass das Problem nicht darin bestand, neue Hobbys zu finden, sondern die alten beizubehalten. Alekseenko scheint die verfügbare Zeit am besten genutzt zu haben: Er hat die Universität abgeschlossen und seinen Führerschein gemacht.

So verlief das Kandidatenturnier bisher:

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.

Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.

Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.

As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!


Company Contact and News Accreditation: 

Email: peter@chess.com FOR SUPPORT PLEASE USE chess.com/support!
Phone: 1 (800) 318-2827
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