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Carlsen gewinnt auch die Blitz-WM und Assaubayeva verteidigt ihren Titel
Die Weltmeister im Blitzschach 2022. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen gewinnt auch die Blitz-WM und Assaubayeva verteidigt ihren Titel

JackRodgers
| 1 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Magnus Carlsen hat nach der Weltmeisterschaft im Schnellschach auch den Titel bei der Weltmeisterschaft im Blitzschach gewonnen. Am Ende hatte der Norweger einen Punkt Vorsprung vor dem zweitplatzierten Hikaru Nakamura und dem drittplatzierten Armenier Haik Martirosyan. Vincent Keymer spielte sich als bester Deutscher auf den achtbaren 13. Platz.

Bei den Damen schaffte Bibisara Assaubayeva das scheinbar unmögliche und düpierte die Weltelite das zweite Jahr in Folge. Damit ist die junge Kasachin, die weiterhin noch von ihrem Großmeistertitel träumt, die dritte Spielerin der Geschichte, die den Weltmeistertitel im Blitzschach verteidigen konnte.

So haben wir aus Kasachstan übertragen:
Wir übertrugen die FIDE Schnellschach- und Blitz-WM live mit Kommentaren von Steve Berger auf Chess.com/TV, unserem Twitch Kanal und auf YouTube. Die englischsprachige Übertragung findet Ihr auf YouTube.com/ChesscomLive und alle Partien auf unserer Event-Seite: Open | Damen

Die Live-Übertragung vom Freitag mit Kommentator Steve Berger.


Nach einem glänzenden Start am ersten Tag hatte Nakamura keine Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, denn einige der weltbesten Spieler saßen ihm im Nacken und nach zwei taktischen Berliner Remis in den Runden 13 und 14 war es schon so weit. Carlsen hatte ihn eingeholt und die Großmeister Anish Giri und Daniil Dubov hatten sich auf einen halben Punkt herangeschlichen.

Das berühmte "Berliner Remis" wurde schon hunderte Male gespielt. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

In der 14. Runde wurde Carlsen gegen Richard Rapport gelost und hier hätte der Norweger um ein Haar seine erste Partie in diesem Turnier verloren. Die Engine zeigte bereits ein Matt in 7 für den Rumänen, doch in Zeitnot konnte dieser das Matt nicht finden und sein Vorteil schmolz in nur 2 Zügen auf zuerst -4 und dann auf 0.00 zusammen und nur 3 Züge später war die Partie verloren.

Der beliebte YouTuber Antonio Radic (besser bekannt als Agadmator) beschrieb die Partie als "Bar-Prügelei" und andere bezeichneten sie auf Twitter als die verrückteste Blitzpartie aller Zeiten.

In der 15. Runde verloren beide Führenden ihre Partien gegen russische Gegner. Ian Nepomniachtchi konnte den Weltmeister mit Weiß in einer spanischen Partie ausspielen und fand sich nach 40 Zügen mit einem beachtlichen Vorteil wieder und Carlsen, der seine ganze Zeit damit verbracht hatte, sich gegen den WM-Herausforderer zu verteidigen, verlor überraschend auf Zeit.

Gleichzeitig wurde Nakamura, nachdem er ein Remis abgelehnt hatte, von Vladislav Artemiev besiegt. Dies ermöglichte es gleich drei Spielern, sich den Favoriten an der Tabellenspitze anzuschließen.

In der 16. Runde spielte sich dann Martirosyan mit seinem Sieg über den gefährlichen Vladimir Fedoseev ins Rampenlicht und in der Tabelle weit nach oben. Bemerkenswerterweise hatte Martirosyan bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Remis zu Buche stehen und Siege gegen Dubov, Keymer und zahlreiche weitere 2600-Großmeister hatten dieses Turnier bereits zu einem denkwürdigen Ereignis für den Armenier gemacht.

Carlsen und Nakamura hatten währenddessen ihre Navis neu konfiguriert und wieder in die Siegerstraße gefunden. Dieses Mal besiegten sie Fabiano Caruana und Dmitry Andreikin mit überzeugenden Schwarzpartien.

Vier Runden vor Schluss war zwar zu erwarten gewesen, dass die Führenden gegen Gegner spielen würden, die außerhalb den Top 20 der Welt rangieren, aber wie es das Schicksal wollte, traf Carlsen auf die Nummer 1366 der Welt! Der 16-jährige IM Mukhiddin Madaminov aus Usbekistan war mit einer Blitz-Elo von 2333 in das Turnier gestartet, hatte sich aber 11,5/17 erspielt und sich damit den Showdown seines Lebens an Brett eins verdient. Obwohl Madaminov schließlich gegen Carlsen verlor, lieferte er dem Weltmeister einen gewaltigen Kampf und brachte ihn mehrmals ins Schwitzen.

Madaminov erspielte sich 177.6 Elo-Punkte und eine Partie an Brett eins. Bild: Chess-Results.com

In der 18. Runde verlor Nakamura dann sensationell gegen den dreifachen Gewinner des Titled-Tuesday Turniers, Alexey Sarana. Ganz so überraschend kam die Niederlage aber dann doch nicht, denn Sarana hatte sich nach seinem katastrophalen Start mit 3/8 das Feld mit 9 Siegen und einem Remis in den letzten 10 Runden von hinten aufgerollt und ganz besonders im Blitzschach ist das Momentum bekanntlich ein riesiger Faktor.

Saranas Sieg über Nakamura machte den Titelhoffnungen des Amerikaners einen Strich durch die Rechnung. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Sarana war mit seiner Aufholjagd aber noch nicht am Ende und legte in der 19. Runde mit einem Sieg gegen Carlsen nach. Sarana hat seine Hausaufgaben, wie er das abgelehnte Damengambit der Weltranglistenersten überwältigen kann, eindeutig gemacht und nutzte seine Kontrolle des Zentrums, um Carlsen unter Druck zu setzten. Ein entscheidender Fehler im 21. Zug beendete die Partie dann schon zugunsten des Außenseiters, der damit als einziger Spieler des Turniers sowohl Carlsen als auch Nakamura besiegen konnte.

Der Sturmlauf von Sarana endete schließlich in der vorletzten Runde, wo der überragende Martirosyan seine Chancen auf eine Medaille beendete. Das Ergebnis machte die Sache für Carlsen nicht unbedingt einfacher, da am Ende der Runde nur einen Punkt Vorsprung hatte, weil zwei seiner engsten Verfolger, Nakamura und Jan-Krzysztof-Duda, ihre Partien gewannen.

Duda war mit bescheidenen 8/12 in das Turnier gestartet und hatte sich dann zum perfekten Zeitpunkt an die Führenden herangeschlichen und nach einem fehlerfreien Sieg über Dmitry Andreikin in der 20. Runde lag der Pole plötzlich auf dem ersten Platz.

Duda hatte heute einen glänzenden Tag. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die Auslosung der letzten Runde hätte und dann keine spannenderen Paarungen bescheren können. Carlsen musste mit Schwarz gegen Abdusattorov antreten, während Nakamura und Duda beide mit Weiß gegen Gegner mit niedrigeren Elozahlen (Pentala Harikrishna und Sarana) spielen durften.

Kommentator Trent die Zuschauer aber daran, dass "Carlsen, immer wenn sein Schicksal in seinen eigenen Händen liegt, sich durchzusetzen scheint". Carlsen ließ dieser Ankündigung dann auch gleich Taten folgen und besiegte Abdusattorovs in nur 38 Zügen und stand damit als Sieger der Weltmeisterschaft im Blitzschach fest.

Großmeister Rafel Leitao hat den entscheidenden Sieg von Carlsen für uns analysiert.

Ein Brett weiter verlor Duda dann seine Partie und fiel dadurch vollständig vom Podium. Nakamura reichte sein Remis gegen Harikrishna für den zweiten Platz in der Gesamtwertung und Martirosyan konnte sich durch einen sensationellen Sieg über Caruana auf den dritten Platz katapultieren.

Pentala Harikrishna hätte Nakamura beinahe den Gewinn der Silbermedaille verdorben. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen gewann neben dem Titel auch $60.000, während Nakamura und Martirosyan für ihre Leistungen mit jeweils $45.000 belohnt wurden. Der Rest des Preisgeldes in Höhe von $350.000 wurde unter den Spielern, die unter die ersten 35 gekommen sind, aufgeteilt.

Blitz-Weltmeisterschaft 2022 | Abschlusstabelle (Top 20)

Platz Land Titel Name Elo Punkte
1 GM Magnus Carlsen 2830 16
2 GM Hikaru Nakamura 2909 15
3 GM Haik Martirosyan 2745 15
4 GM Anish Giri 2792 14.5
5 GM Jan-Krzysztof Duda 2773 14.5
6 GM Daniil Dubov 2792 14.5
7 GM Alexey Sarana 2708 14.5
8 GM Vladimir Fedoseev 2733 14
9 GM Richard Rapport 2654 14
10 GM Vladislav Artemiev 2803 13.5
11 GM Dmitry Andreikin 2735 13.5
12 GM Ian Nepomniachtchi 2782 13.5
13 GM Vincent Keymer 2600 13.5
14 GM A.R. Saleh Salem 2633 13.5
15 GM Fabiano Caruana 2847 13
16 GM Denis Lazavik 2484 13
17 GM Pentala Harikrishna 2617 13
18 GM Sarin Nihal 2702 13
19 GM Nodirbek Abdusattorov 2666 13
20 GM Daniel Dardha 2528 13

Die gesamte Tabelle findet Ihr hier

Alle Partien

Damen

Nachdem Shuvalova den ersten Tag mit respektablen 6,5 aus 8 beendet hatte, entschied sie sich, am zweiten Tag noch einen Gang zuzulegen und stürmte in der Tabelle mit 4,5 aus 5 davon. Dabei spielte sie gegen so namhafte Spielerinnen wie Aleksandra Goryachkina, Harika Dronavalli, Titelverteidigerin Assaubayeva und Sarasadat Khademalsharieh. Die Partie gegen die Iranerin "Sara Khadem" war besonders exquisit und und zeigt den Boa-Konstriktor-ähnlichen Stil von Shuvalova.

Valentina Gunina, die den ersten Tag punktgleich mit Shuvalova an der Tabellenspitze beendet hatte, erwischte ebenfalls einen tollen Start, aber nach einigen Runden verlor sie völlig den Faden. Sie verlor vier Partien in Folge und verspielte damit auch alle Chancen, ihren zweiten Titel bei einer Blitz-WM zu gewinnen.

Kosteniuk (rechts) fand während des gesamten Turniers zu keiner konstanten Form, schaffte es aber dennoch, die Träume mehrerer hoch gehandelter Spielerinnen zu ruinieren. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Tan Zhongyi war am zweiten Tag ihr übliches konstantes Selbst und obwohl sie einige Rückschläge durch Dronavalli, Assaubayeva und Koneru erlitt, waren ihre Ergebnisse positiv genug, um während des gesamten Turniers im Medaillenkampf zu bleiben.

Tan Zhongyi (rechts) erwies sich in Almaty als einer der am schwierigsten zu schlagenden Spielerinnen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Nachdem Assaubayeva in der ersten Runde des Tages eine Gewinnstellung in die Tonne geklopft und gegen Elisabeth Pähtz verloren hatte, traute ihr niemand mehr die Titelverteidigung zu. Dann aber zeigte sie den Kampfgeist, mit dem sie im letzten Jahr den Titel gewonnen hatte.

In den letzten acht Runden des Turniers musste sich Assaubayeva nur noch gegen Shuvalova geschlagen geben. Die anderen sieben Partien konnte die Lokalmatadorin im Baluan Sholak Palace of Culture and Sports allesamt gewinnen.

Assaubayeva spielte in den letzten acht Runden ein nahezu perfektes Turnier. Foto: chess-results.com.

Der erstaunliche Lauf der Usbekin war geprägt von einer atemberaubenden Geschwindigkeit und einer außergewöhnlichen Ruhe in Druckphasen, die die Titelverteidigerin schon 2021 ausgezeichnet hatte. Obwohl das abgelehnte Damengambit der achten gesetzten Nana Dzagnidze absolut solide zu sein schien, wurde sie bald das Opfer eines furiosen Angriffs von Assaubayeva und schließlich unterlag sie der strategischen Brillanz der 18-Jährigen.

Als die 17. und letzte Runde ausgelost wurde, war klar, dass zwar keine Spielerin die gleiche Angriffsenergie wie Assaubayeva an den Tag legen konnte, aber die erfahrene Tan Zhongyi hatte sich trotzdem die gleiche Punktzahl erspielt. Beide Spielerinnen mussten dann gegen starke indische Großmeisterinnen antreten. Tan Zhongyi mit Schwarz gegen Koneru und Assaubayeva mit Schwarz gegen Dronavalli.

Assaubayeva hatte sich aber ihr bestes Schach bis zum Schluss aufbewahrt. Sie hielt während der gesamten Partie einen 20-Sekunden-Vorsprung auf der Uhr und übte ständig Druck auf Dronavallis Stellung aus. Als Dronavalli dann für ein vermeintliches Dauerschach einen Läufer geopfert hatte und mit Schrecken feststellte, dass es eben nur ein vermeintliches Dauerschach war, war die Partie entschieden.

Gleichzeitig fuhr ihre Landsfrau einen Sieg gegen Tan Zhongyi ein und damit war die Sensation perfekt. Die Spielerin, die von zwölfeinhalb Monaten noch so gut wie niemand gekannt hat, hat zum zweiten Mal in Folge die Weltmeisterschaft im Blitzschach und damit auch $40.000 gewonnen!

Hier ist der alles entscheidende Sieg der jungen Kasachin:

Koneru Humpy hat sich durch ihren Sieg in der letzten Runde den zweiten Platz und $30.000 gesichert.

Und Polina Shuvalova bekommt für ihren dritten Platz $17.500.

Assaubayeva, Koneru und Shuvalova auf dem Podium. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Blitz-Weltmeisterschaft der Damen 2022  | Abschlusstabelle (Top 20) 

Platz Land Titel Name Elo Punkte
1 IM Bibisara Assaubayeva 2404 13
2 GM Humpy Koneru 2474 12.5
3 IM Polina Shuvalova 2361 12
4 GM Tan Zhongyi 2510 12
5 IM Meri Arabidze 2404 11.5
6 GM Kateryna Lagno 2522 11
7 GM Nana Dzagnidze 2416 11
8 IM Olga Badelka 2337 11
9 GM Elisabeth Paehtz 2396 11
10 IM Gunay Mammadzada 2383 11
11 GM Antoaneta Stefanova 2427 11
12 GM Zhansaya Abdumalik 2413 11
13 GM Harika Dronavalli 2407 10.5
14 GM Elina Danielian 2331 10.5
15 GM KAlexandra Kosteniuk 2469 10.5
16 WFM Umida Omonova 1978 10.5
17 IM Padmini Rout 2298 10.5
18 IM Anna Zatonskih 2362 10.5
19 GM Valentina Gunina 2368 10
20 GM Aleksandra Goryachkina 2484 10

Die gesamte Tabelle findet Ihr hier

Alle Partien des Damenturniers

Die FIDE Weltmeisterschaft im Blitzschach wurde am 29. und 30. Dezember in der kasachischen Hauptstadt Almaty ausgetragen. Neben dem Titel ging es um ein Preisgeld in Höhe von $350.000 im Open und $150.000 bei den Damen.

Titelverteidiger sind Maxime Vachier-Lagrave bei den Herren und Bibisara Assaubayeva bei den Damen.


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