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Nakamura gewinnt zum Auftakt der Speed Chess Championship

Nakamura gewinnt zum Auftakt der Speed Chess Championship

Colin_McGourty
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

"Er vervollständigt seine Bingo-Karte!", sagte Kommentator Eric Hansen, nachdem Hikaru Nakamura mit dem 14. von 16 möglichen Bauernzügen begonnen und Yu Yangyi zum Auftakt der von Coinbase präsentierten Chess.com Speed Chess Championship 2023 mit 19:9 besiegt hatte.

Im Viertelfinale wird Nakamura auf Fabiano Caruana oder Nodirbek Abdusattorov treffen.

Das nächste Match ist aber Wesley So gegen Levon Aronian und das beginnt schon heute, am 5. September, um 20:00 Uhr

So könnt Ihr bei der Speed Chess Championship zusehen:
Wir übertragen die von Coinbase präsentierte Chess.com Speed Chess Championship mit fachkundigen Kommentaren von "The Big Greek" live auf Chess.com/TV, Twitch und YouTube.

Alle Partien findet Ihr auf unserer Event-Seite.

Wenn wir über die Speed Chess Championship sprechen, dann sprechen wir über zwei überragende Giganten:

Auch in diesem Jahr sind Nakamura und Magnus Carlsen die Spieler, die es zu schlagen gilt. Aber Spieler wie Alireza Firouzja, Wesley So oder Weltmeister Ding Liren haben durchaus das Potenzial, die beiden herauszufordern. Neben den eingeladenen Spielern haben sich auch Alexey Sarana, Dmitry Andreikin, Vidit Santosh Gujrathi und Yu Yangyi für die Speed Chess Championship 2023 qualifiziert.

Mit dem Chinesen Yu Yangyi stand dann einer dieser Qualifikanten gleich vor der schweren Aufgabe, im Achtelfinale gegen Nakamura antreten zu müssen. Die Vorhersagen waren aber ernüchternd: Die Chance, das Match zu gewinnen, lag bei lediglich 5%.

Letzten Endes war es der vorhergesagte harte Arbeitstag für Yu, aber wie Nakamura hinterher kommentierte: "Alle Ehre der Welt gebührt Yu Yangyi dafür, dass er es so spannend gemacht hat!"

Das Match folgte dem gleichen anstrengenden Format wie früherer Speed Chess Championships: 90 Minuten mit einer Bedenkzeit von 5+1, gefolgt von 60 Minuten mit 3+1 und 30 Minuten mit 1+1.


5+1: Nakamura 5.5-2.5 Yu

Schon im ersten Zug der ersten Partie bekamen wir einen Vorgeschmack darauf, was uns in diesem Match erwarten würde. Nakamura eröffnete mit 1.a3 und nahm danach einen Schluck von seinem Getränk.

Der zwölftbeliebteste Eröffnungszug einer Schachpartie war aber kein Problem für Yu und schon bald verschaffte er sich einen Vorteil. Er fühlte sich die ganze Partie über wohl, verbrauchte jedoch sehr viel Zeit und als er am Ende überzog, hatte das fatale Folgen.

Yu verpasste noch viele weitere halbe Punkte, aber er verlor nie den Kampfeswillen.

Das wurde deutlich, als er nach einem Remis nach 142 Zügen die dritte Partie gewann. Hier waren der erste und der letzte Zug am bemerkenswertesten. 1.a4 von Nakamura war das erste Zeichen dafür, dass 1.a3 kein bloßer Scherz gewesen war. Yu konnte es noch nicht wissen, aber sein Gegner würde in allen 14 seiner Partien mit den weißen Figuren einen anderen Bauernzug ausführen. Etwas schade war, dass er nie 1.h3 oder 1.h4 spielen konnte, aber die Saison ist ja noch jung!

Hinterher erklärte Nakamura, warum er das gemacht hat:

Gestern gab es bei der Champions Chess Tour dieses Match zwischen Magnus und Alireza Firouzja und ich hatte das Gefühl, dass Magnus absichtlich versuchte, leicht fragwürdige Eröffnungen zu spielen, um zu sehen, ob Alireza ihn bestrafen könnte. Da hatte ich mir gedacht, dass ich in der SCC das Gleiche versuchen sollte. Dabei wollte ich aber keine zweifelhaften Stellungen erhalten, sondern lediglich die Dinge herausfordernder zu machen. Zumindest in den frühen Runden. Ich dachte, dass ich die 3+1 und 1+1 Drittel gewinnen könnte und deshalb versuchte ich etwas zu basteln und etwas anderes zu spielen. Wir werden sehen, ob es weiterhin funktioniert oder nicht. Ich glaube, das letzte Mal, als ich gegen Paravyan gespielt habe, habe ich etwas ziemlich Ähnliches gemacht. Ich hatte damals h3, b3 und alle möglichen albernen Sachen gespielt. Ich versuche aber nur, die Dinge interessant zu machen!

I’m trying to make it more challenging, at least in the early rounds.

—Hikaru Nakamura

In der dritten Partie gelang es Yu, den fragwürdigen ersten Zug von Nakamura perfekt zu bestrafen. Bis zu seinem letzten Zug 44...Le4, der die Partie komplett in den Sand setzte. Dem fünfmaligen Champion ging allerdings die Bedenkzeit aus, bevor er den Gewinnzug 45.Te3 finden konnte.

Das Eröffnungs-Bingo mit den schwarzen Steinen war ganz anders. In der zweiten Partie antwortete Nakamura auf 1.e4 mit dem solidesten und beliebtesten Zug auf höchstem Niveau, 1...e5 (bei Spielern unter 2700 übernimmt allerdings der Sizilianer, 1...c5). In der vierten Partie entschied er sich jedoch für das ausgefallene 1...a5, den 14. beliebtesten Zug in dieser Stellung und gewann die Partie sogar durch einen plötzlichen Mattangriff. Letztendlich spielte er diesen Zug neun Mal im Match (und nur fünfmal 1...e5), darunter in den letzten sieben Partien in Folge und die letzten vier davon gewann er.

Yu blieb aber ruhig und Nakamura musste lange um das Remis kämpfen. Die sechste Partie bezeichnete Nakamura später als "sehr kritisch". Nach 22.Dxd5 hatte Yu einen gesunden Mehrbauern. 

Mit einem Sieg hätte Yu zum 3:3 ausgeglichen und Nakamura gab zu, dass in diesem Fall sein Eröffnungsbingo vielleicht vorbei gewesen wäre: "Ich dachte mir, wenn ich diese Partie gewinne, habe ich keinen Grund etwas zu ändern, aber wenn Yu gewonnen und zum 3:3 ausgeglichen hätte, hätte ich es wahrscheinlich geändert."

Yu verlor dann nicht nur seinen Mehrbauern, sondern auch noch einen zweiten und in einem Damenendspiel mit Minusbauern und guten Remischancen unterlief ihm im 83. Zug der entscheidende Fehler.

Mit dem Wind in seinen Segeln entdeckte Nakamura in der nächsten Partie ein feines taktisches Detail und ging mit drei Punkten in Führung. Es war der "Coinbase Savvy Move Of The Day", wie Kommentator Benjamin Bok ihn beschrieb.

Die Zeichen standen also schlecht für Yu, denn die allgemein anerkannte Meinung war, dass Nakamuras Vorteil umso größer werden würde, je kürzer die Bedenkzeit wurde.

3+1: Nakamura 6.5-3.5 Yu

In der ersten Drei-Minuten-Partie war 1.c3 an der Reihe und Nakamura geriet in eine verlorene Stellung, die er aber trotzdem gewinnen konnte. Als Yu dann in der nächsten Partie zwei Mehrbauern hatte, stellte Kommentator Hansen ein Ultimatum: "Das muss ein Sieg sein. Egal was passiert. Yu Yangyi muss diese Stellung gewinnen! Alles andere als ein Sieg ist ein absoluter Misserfolg."

Es war dann aber keine große Überraschung, dass Nakamura trotzdem ein Remis erzielte. Die viel größere Überraschung war, dass Yu immer noch nicht gebrochen war und in der nächsten Partie zurückschlug und einen zu ehrgeizigen Königszug mit einer 18-Züge-Miniatur bestrafte. Ironischerweise wurde dieser Sieg gegen den ersten völlig normalen Eröffnungszug erzielt, den Nakamura mit Weiß gespielt hatte: 1.c4.

Diese Geschichte wiederholte sich, als Nakamura die Vier-Punkte-Führung mit einer Partie wiederherstellte, die nach Meinung der Kommentatoren ein hervorragendes Beispiel für seine Fähigkeit war, seine Gegner auf risikoarmen Stellungen zu überspielen.

Yu schlug jedoch mit einem überwältigenden Angriff, der vielleicht seine beste Leistung des Tages war, sofort zurück. Die Schlussstellung ist wirklich sehenswert.

Nakamura gab zu, dass "ich zu diesem Zeitpunkt irgendwie sauer auf mich selbst wurde", aber dann gab er Gas und nach zwei brillanten Siege in Folge war dieses Gefühl verflogen. Mit der Hilfe seines Gegners gelangen ihm zum ersten Mal in diesem Match sogar drei Siege in Folge.

"Das Match hat eindeutig seinen Tribut gefordert", sagte Hansen, als Yu in der folgenden Partie ein offensichtliches und starkes Opfer nicht spielte und der amtierenden Bullet-Chess-Champion mit sechs Punkten Vorsprung in das letzte Drittel ging. Damit musste Yu im Bullet schon das Comeback des Jahrhunderts schaffen, wenn er das Match noch gewinnen wollte.

1+1: Nakamura 7-3 Yu

Das ist zwar nicht passiert, aber Nakamura war einmal mehr beeindruckt: "Zu Yu Yangyis Lob muss man sagen, dass er es sehr schwierig gemacht hat, und selbst im Bullet war ich mit meiner Spielweise nicht zufrieden und in manchen Momenten musste ich mich wirklich strecken."

Nachdem Yu die erste Partie verloren hatte, führte ein unglücklicher Premove seines Gegners in der nächsten Partie zwar nicht zu einem Comeback, aber doch zu einem kurzfristigen Hoffnungsschimmer am Horizont.

Zum ersten Mal in diesem Match gewann Yu zwei Partien in Folge und dann drei von vier Partien, aber das sollte nicht von Dauer sein. Nakamura gewann die letzten fünf Partien und das Match mit 19:9.

Da man bei der Speed Chess Championship im Gegensatz zur Champions Chess Tour bereits nach der ersten Niederlage ausscheidet, ist das Turnier für Yu damit beendet. Nakamura hingegen steht im Viertelfinale und trifft dort entweder auf Caruana oder Abdusattorov.

Auf wen würde Nakamura lieber treffen?

"Ich würde sagen, dass ich eigentlich lieber gegen Fabiano spielen würde, aber nur weil ich denke, dass ich gegen Fabiano im 1+1 einen größeren Vorteil haben sollte als gegen Nodirbek. Vielleicht ist das aber auch falsch und vielleicht ist auch Fabiano der bessere im Bullet, aber ich würde trotzdem lieber gegen Fabiano spielen, weil ich einfach schon so oft gegen ihn gespielt habe und er mir vertrauter ist."

Bis es aber soweit ist, steht zuerst das Match zwischen Wesley So und Levon Aronian auf dem Programm.

Alle Partien zwischen Nakamura und Yu


Die von Coinbase präsentierte Speed Chess Championship 2023 ist das stärkste Online-Speedschach-Turnier der Welt. Vom 4. bis zum 22. September kämpfen 16 der besten Blitz- und Bulletspieler der Welt um ein Preisgeld von $150.000.

 


Weitere Berichte von der Speed Chess Championship 2023:

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Colin McGourty

Colin McGourty led news at Chess24 from its launch until it merged with Chess.com a decade later. An amateur player, he got into chess writing when he set up the website Chess in Translation after previously studying Slavic languages and literature in St. Andrews, Odesa, Oxford, and Krakow.

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