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Carlsen-Nepomniachtchi: Das sagen die Experten

Carlsen-Nepomniachtchi: Das sagen die Experten

PeterDoggers
| 2 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Es sind nur noch wenige Stunden bis zur FIDE Weltmeisterschaft 2021 und die Schachwelt kann es kaum erwarten, dass Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi endlich am Brett sitzen. Die große Frage ist jetzt natürlich: Wer wird gewinnen? Wir haben eine Reihe großartiger Spieler nach ihrer Meinung gefragt.

So könnt Ihr zusehen:
Chess.com hat sich die Übertragungsrechte für die WM 2021 gesichert und wird jede Sekunde der Weltmeisterschaft in vielen Sprachen übertragen.

  • Auf unserer Live Events Seite findet Ihr alle Züge, Analysen und auch die Links zur Übertragung.
  • Auf Facebook und Twitter versorgen wir Euch ständig mit den neuesten Nachrichten und zusätzlichen Fotos, Gerüchten und Hintergrundberichten über die WM.
  • Und für die deutschsprachige Übertragung auf ChessTV, Twitch und YouTube haben wir IM Steve Berger und WIM Fiona Steil-Antoni engagiert. Die beiden werden Euch die Züge von Carlsen und Nepo genau erklären und Euch mit Hintergrundinformationen versorgen.


Beginnen wir mit den beiden Spielern, die vor Carlsen Weltmeister waren: Viswanathan Anand und Vladimir Kramnik. Sie waren am 18. November zu Gast bei Ilya Levitov, einem russischen Schachliebhaber, Schriftsteller, Unternehmer und seit neuestem auch "Streamer", der einen hervorragenden YouTube-Kanal betreibt und dort viele interessante Interviews führt. 

Vishy Anand

"Ich denke, das Wichtigste ist, dass Nepos Stil irgendwie mit dem von Magnus nicht kompatibel ist. Für Magnus wird es nicht einfach sein, diesen Stil zu spielen", sagte der fünfmalige Weltmeister Anand. "Nepo ist der einzige, der seinen taktischen Stil gegen Magnus durchsetzen kann."

Obwohl Anand darauf hinwies, dass Carlsen in taktischen Stellungen besser geworden ist und sie nicht mehr so oft meidet wie früher, könnte das weiterhin seine Achillesferse sein:

"Ich denke, 2013/14 konnte er sich auf seine Technik verlassen. Er vereinfachte oft auf den kleinsten Vorteil und umging jegliches Risiko, weil er wusste, dass er sowieso gewinnen würde. In Eröffnungen neigte er dazu, kein großes Risiko einzugehen. Wahrscheinlich weil er das Gefühl hatte, dass dies der einzige Bereich ist, wo ihn seine Gegner überlegen sein könnten und deshalb bemühte er sich sehr, das zu vermeiden. Er hat Hauptvarianten wie die Pest vermieden. Das hat sich geändert. Natürlich haben die Computer in letzter Zeit einen sehr großen Einfluss und jeder hat sich weiterentwickelt, aber trotzdem denke ich, dass Magnus hier verwundbar sein könnte. Wenn die Stellung schwierig ist, ist es für jeden schwierig, aber Ian hat das Talent, sich dort weiterhin zurechtzufinden."

Allerdings, so Anand, wird es Nepomniachtchi nicht leicht haben, solche Stellungen zu erreichen: "Mein Problem mit Ian ist, dass ich nicht viele Wege dafür sehe. Ich denke aber, er hat die Möglichkeit dazu. Wenn er sich gut vorbereitet hat und intelligent spielt, kann er die Art von Stellungen erreichen, die ihm liegen. Ian hat aber auch schlechte Tage und das ist das große Fragezeichen. Er kann genial gut, aber auch katastrophal schlecht spielen."

Vishy Anand portrait
Vishy Anand. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Magnus ist zwar der große Favorit, aber Ian wird definitiv seine Chancen bekommen. Für Magnus wird es natürlich sehr schwierig werden. Es ist bereits seine fünfte Weltmeisterschaft und ich glaube nicht, dass sein inneres Feuer noch so stark brennt. Er hat sich auch eine Zeit lang über den Modus beschwert. Ian dagegen ist bis in die Fingerspitzen motiviert und das kann ein interessanter Aspekt sein. Wenn ich aber wüsste, wie man Magnus schlagen kann, hätte ich es selbst getan. Wir werden sehen, ob es Ian herausfinden wird."

For Magnus, it's inevitably getting difficult. It’s already his fifth match, so I don’t think the fire is burning so hard inside.
—Vishy Anand

Vladimir Kramnik

„Die Vorbereitung ist extrem wichtig“, sagte der 14. Weltmeister Kramnik. Wir wissen nicht, wie sie sich vorbereiten und was sie vorbereiten. Ich denke, der Beginn der WM, die ersten drei, vier Partien, werden sehr wichtig sein. Das sind die schwierigsten. Ich erinnere mich, als ich mein erstes Match mit Garry spielte. Da stand man unter immensen Druck und wenn etwas schiefgehen würde, kann alles passieren. Für mich war es sehr wichtig, die Sache langsam anzugehen.... Ich war einfach ein gleichwertiger und sehr ernstzunehmender Gegner des Weltmeisters. Ehrlich gesagt war ich mir da aber vor dem Match nicht ganz sicher und daher ist es für den Herausforderer sehr wichtig, in den ersten Partien das Gefühl zu bekommen, dass man mithalten kann und dass man genauso stark wie der Weltmeister ist. Irgendwo tief in dir hast du Zweifel und wenn bereits am Anfang etwas schiefgeht, fängst du zu wackeln an."

Vladimir Kramnik
Vladimir Kramnik. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Judit Polgar

Die beste Schachspielerin aller Zeiten, Judit Polgar, hat der Zeitung The Times of India ein Interview gegeben und gesagt:

"Der größte Unterschied, den ich empfinde, ist, dass Nepo ein Spieler ist, der glaubt, dass er die Weltmeisterschaft gewinnen kann. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Sergey Karjakin wirklich an die Möglichkeit geglaubt hat, dass er durch einen Sieg über Magnus Weltmeister werden könnte. Auch bei Fabiano [Caruana] war ich mir da nicht so sicher. Nepo hingegen hat diese Körpersprache, die sagt: 'Ich werde gewinnen und es ist völlig in Ordnung, dass ich der nächste Weltmeister werde."

"Ich denke, es ist klar, dass Magnus der Favorit ist. Ich habe zwar noch nie um eine Weltmeisterschaft gespielt, war aber 2016 und 2018 als Kommentatorin dabei. Ich denke, auf Magnus liegt ein unglaublicher Druck, aber er weiß, dass er ein besserer Spieler als Nepo ist. Sie sind beide gleich alt und haben eine Vergangenheit. Ohne eine gewisse Hilfestellung von Magnus kann Nepo wohl nicht Weltmeister werden."

Judit Polgar commentator
Judit Polgar. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Während des FIDE Weltcups und besonders während des FIDE Chess.com Grand Swiss Turniers haben wir viele Topspieler nach ihren Vorhersagen gefragt. Hier sind ihre Antworten:

Alireza Firouzja

Zu Beginn des Grand Swiss Turniers, bevor sein sensationeller Aufstieg zur Nummer zwei der Welt begann, gab Alireza Firouzja die wahrscheinlich beliebteste Antwort auf die große Frage: "Es wird ein sehr enges Match, aber Magnus ist wahrscheinlich der Favorit."

It's going to be a very close match, but probably Magnus is the favorite.
—Alireza Firouzja

Alexander Grischuk

Ähnlich sah die Prognose des russischen Top-GM Alexander Grischuk aus: "Ich denke, Magnus ist der Favorit. Aber kein großer."

Maxime Vachier-Lagrave

Der französische Top-Großmeister Maxime Vachier-Lagrave, der beim FIDE Kandidatenturnier an Nepomniachtchi gescheitert war, zeigt sich von seinem Konkurrenten ziemlich beeindruckt:

"Ian hat in den letzten zwei Jahren sehr interessantes und manchmal fantastisches Schach gespielt. Und immer wenn es darauf ankam, spielte er gut. Ich denke also, dass er für die Weltmeisterschaft bereit sein wird. Magnus ist aber natürlich der Favorit. Er ist seit 10 Jahren der beste Spieler der Welt, aber Ian hat definitiv eine Chance. Ich würde Ian wirklich nicht außer Acht lassen, der sich in den letzten sechs Monaten ununterbrochen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen vorbereitet hat. Er kann ein sehr harter Spieler sein, ein sehr schwieriger Gegner."

Sergey Karjakin

Sergey Karjakin, der 2016 in New York gegen Carlsen um die Weltmeisterschaft gespielt hatte, sagte: „Ich erwarte einen großartigen Kampf. Die Hauptfrage für beide Spieler wird sein, wer die bessere Form in das Match bringt. Ich weiß, dass man sich sehr gut vorbereiten kann und man bereitet sich vor und bereitet sich vor und dann ist man plötzlich erschöpft oder irgendwas geht schief." 

Vidit Gujrathi

Indiens Top-Spieler Vidit Gujrathi, der im Jänner in Wijk aan Zee spielen wird, sagte: "Die sicherste Antwort ist zu sagen: Magnus ist der Favorit. Damit kann man nichts falsch machen. Aber wenn jemand überraschen kann, dann es ist Nepo. Auch, wenn man Magnus jüngste Form bedenkt. Natürlich macht er sich immer noch sehr gut, aber er hat so hohe Standards, dass ich das Gefühl habe, dass Nepo eine große Chance hat."

Aryan Tari

Carlsens Landsmann und die Nummer 2 Norwegens, Großmeister Aryan Tari sagte: "Ich denke, Magnus ist der klare Favorit. Vielleicht mit 70 Prozent. Er hat viel mehr Erfahrung und ist einfach der bessere Schachspieler."

Hans Niemann

Der aufstrebende US-Großmeister Hans Niemann hält große Stücke auf den Weltmeister: „Ich denke, Magnus ist einfach ein Riesenfavorit. Ich denke, so wie ich ihn als Spieler kenne, wenn Nepo eine Partie verliert, ist die Weltmeisterschaft gelaufen. Ich denke, es ist eine Art Kampf, wer die erste Partie gewinnen kann. Ich glaube, Magnus könnte irgendwie zurückschlagen, aber wenn Magnus zuerst eine Partie gewinnt und in Schwung kommt, sind Ians Chancen wirklich ziemlich gering."

I think if Nepo loses one game, the match is over, just from him, as a player.
—Hans Niemann

David Howell

Großmeister David Howell, der heutzutage mehr Zeit mit Kommentieren als mit Spielen verbringt, aber in Riga recht gut abgeschnitten hat: "Magnus ist der Favorit, aber ich denke, es wird enger, als die meisten denken."

Andrey Esipenko

Dem Russen Andrey Esipenko ist es gelungen, Carlsen beim allerersten Aufeinandertreffen im Jänner 2021 in Wijk aan Zee zu schlagen. Er sagte: "Ich denke, es wird ein harter Kampf, und es hängt davon ab, wer besser in Form ist." 

Alexandra Kosteniuk

Weltmeisterin, Großmeisterin und Chess.com Mitarbeiterin Alexandra Kosteniuk wird die Weltmeisterschaft auf unserem russischen Kanal kommentieren und sie freut sich schon riesig darauf:

"Wer gewinnen wird, ist sehr schwer vorherzusagen. Ich werde aber natürlich zu Ian halten. Zumindest das ist eine leichte Wahl für mich. Als Zuschauerin hoffe ich einfach, dass die Weltmeisterschaft bis zum Ende spannend bleibt und nicht schon vorzeitig entschieden wird. Mir gefällt die Spannung und der Druck der letzten Partien und hoffe ein Playoff sehen zu dürfen."

Alexandra Kosteniuk Chess.com
Alexandra Kosteniuk. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Boris Gelfand

Der Herausforderer der WM von 2012, Boris Gelfand, der gegen Anand erst im Playoff verloren hatte, sagte: "Ich treffe grundsätzlich nie Vorhersagen, aber ich möchte eine großartige WM sehen. Und ich möchte, dass alle 14 Partien gespielt werden."

Vincent Keymer

Das deutsche Supertalent Vincent Keymer sagte: "Ich erwarte sicher einen harten Kampf. Es ist ja bekannt, dass Nepo gegen Magnus eine ziemlich gute Bilanz hat. Außerdem denke ich, dass seine Nerven ziemlich gut sind. Wer ist der bessere Spieler? Wir werden sehen. Ich denke aber, dass es bei so einem Match auch auf die Vorbereitung geht. Ob man sich gut fühlt, wie man in Form ist und einiges kommt sicher auch auf die Einstellung an."

Schließlich haben wir auch noch Streamer, Kommentatoren und Journalisten, nach ihren Vorhersagen gefragt:

Qiyu "Nemo" Zhou

Die chinesisch-kanadische Damengroßmeisterin, eSports-Athletin, Content-Erstellerin und Starstreamerin Qiyu "Nemo" Zhou sagte zu Chess.com: "Ich denke, Carlsen wird gewinnen, aber sein Vorsprung wird ziemlich knapp sein. Nicht zu extrem. Vielleicht zwei oder drei Punkte Vorsprung zu Carlsens Gunsten. Ich denke, Nepo wird einige interessante Eröffnungen spielen, aber ansonsten bin ich mir nicht wirklich sicher, was passieren wird."

Danny Rensch

Chess.com Boss Danny Rensch, der bei der WM auch als Co-Kommentator im Einsatz sein wird ist einer, aber nicht der einzige der Experten, die eine abweichende Prognose haben: "Nepomniachtchi wird ohne Playoff gewinnen (einer hier muss ja das schwarze Schaf sein! ) Und wir werden fünf entscheidende Partie sehen!"

Keti Tsatsalashvili

Die georgische Damengroßmeisterin und Streamerin Keti Tsatsalashvili: "Nepomniachtchi wird im Playoff gewinnen."

Robert Hess

Ein weiterer Co-Kommentator von Chess.com, Robert Hess, sagt: "Magnus wird das Match nach 13 Partien gewonnen haben. 3 Siege für ihn, 9 Remis und 1 Sieg für Nepo."

Aman Hambleton

"Chessbrah" und Großmeister Aman Hambleton: "Ich denke, dass Magnus seinen Titel verteidigen wird, weil dieses Mal nicht der "zweitbeste Spieler der Welt" gegen ihn antritt."

I do not believe the 'second-best player in the world' is facing Magnus this time around.
—Aman Hambleton

"Dennoch könnte Nepo stilistisch eine größere Herausforderung für Magnus als ein Wildcard-Gegner sein. Falls Magnus nicht gewinnen sollte, werden wir wohl den Anfang vom Ende seiner Dominanz an der Weltspitze erleben – aber ich glaube nicht, dass wir schon an diesem Punkt angekommen sind. Ich erwarte, dass Magnus mit einem Vorsprung von zwei bis drei Punkte gewinnt und dass es kein Playoff geben wird. Und ich erwarte auch, dass es im Vergleich zur letzten Weltmeisterschaft viel mehr Siege (für beide Spieler) geben wird."

"Ich bin sehr gespannt, mit welcher Art von Vorbereitung Nepo in die Weltmeisterschaft geht und wer seine Sekundanten sein werden, denn das starke Team war schon immer eine der Stärken von Magnus. Es wird zweifellos eine spannende WM und wird wahrscheinlich in der Öffentlichkeit viel mehr Aufmerksamkeit erzeugen, als die WM zwischen Caruana und Carlsen."

Aman Hambleton Isle of Man 2017
Aman Hambleton. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Ben Finegold

"Ians Stil ist genau das Gegenteil von Magnus und das ist gut," sagte Großmeister Ben Finegold in seiner Vorschau auf die WM, die auch in einer hervorragenden Vorbericht von FiveThirtyEight erwähnt wird. Wenn er wie er selbst spielt, könnte Ian vom Brett gefegt werden - Oder er spielt wie er selbst und könnte eine Menge Partien und die WM gewinnen."

Finegold traut sich sogar, das exakte Ergebnis vorherzusagen: "7.5-5.5 für Magnus." 

Leontxo Garcia

Der berühmte Schachjournalist Leontxo Garcia, der seit 1984 über Weltmeisterschaften berichtet, sagte zu Chess.com: "Carlsen wird gewinnen, weil er ein Genie ist. Nepo ist ein extrem starker Spieler, aber kein Genie. Außerdem wird es kein Playoff geben. Wenn Nepo seinem Stil treu bleibt, wird er Risiken eingehen müssen. Carlsen im technischen Schach zu schlagen ist ja fast unmöglich. Und weil Nepo ist im Schnellschach stärker ist als Karjakin oder Caruana wird sich Magnus auf kein Playoff einlassen.

Carlsen will win because he is a genius. Nepo is an extremely strong player but not a genius.
—Leontxo Garcia

"Carlsen sagte zu mir am 1. Dezember 2016, nach seinem Sieg über Karjakin: 'Die Kontrolle meiner Emotionen ist mein Schwachpunkt. Daran muss ich arbeiten.' Es scheint, dass er das vor London 2018 nicht getan hatte. Wenn er es jetzt wieder nicht getan hat, wäre das eine Quelle für eine Überraschung."

Yasser Seirawan

Großmeister Yasser Seirawan iist einer der angesehensten Schachkommentatoren der Welt. In seiner "früheren Karriere" war er einer der Weltbesten und einer der ganz wenigen Spieler, die sowohl gegen Garry Kasparov als auch gegen Anatoly Karpov gewinnen konnte, als sie amtierende Weltmeister waren. Seirawans Einblicke sind faszinierend:

"Es ist schwer, von Magnus nicht beeindruckt zu sein. Er ist ein absolut herausragender Weltmeister. Er steht seit Jahren auf dem ersten Platz aller Ranglisten… Im Blitz-, im Schnell- und im klassischen Schach. Seine Siege sind schon fast zur Routine geworden. Es ist leicht, sich in dem falschen Glauben einzulullen, dass Magnus bei jedem Schachwettbewerb, an dem er teilnimmt, der Favorit ist und immer sein wird."

"Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass Magnus eines Tages seinen Titel verlieren wird. Und wenn es so weit ist, wird er ihn an einen Spieler verlieren, der nicht von ihm beeindruckt ist. Nepo ist genau so ein Gegner! Nepos Bilanz gegen Magnus spricht für sich. Nepo weiß, dass er mit Magnus mithalten kann und er weiß ebenfalls, wie man Turniere gewinnt. Das macht Nepo zu einem sehr gefährlichen Gegner. Nepo lässt sich nicht einschüchtern. Er glaubt an seine eigenen Fähigkeiten und weiß, dass er, wenn er in seiner besten Form ist, alles und jeden schlagen kann.

"Magnus wird sich auch nicht in ein Playoff flüchten können. Nepo ist auch in diesen Disziplinen ein gefährlicher Gegner. Und deshalb wird die WM wahrscheinlich durch die klassischen Partien entschieden. Dort sehe ich zwar Magnus als Favoriten - weil ich seine Erfolge wirklich bewundernswert finde - ich vermute aber, dass das Match mit einem Kantersieg enden könnte! Für jeden Spieler!

I suspect that the match could easily be a blowout. For either side!
—Yasser Seirawan

„Nepo ist ein sehr launischer Spieler. Wenn es läuft, treibt er die Risikoskala auf die Spitze und kann dann auch zwei oder sogar drei Siege in Folge erzielen. Nepo leidet aber auch unter seiner Kreativität! Wenn er sich "in einer Stellung langweilt" und auf dem Brett nichts passiert, neigt er dazu, "Chancen zu kreieren". Leider oft mehr für seinen Gegner, als für sich selbst. Das ist der Moment, in dem Magnus zuschlagen kann."

„Gewinnen wird der Spieler, der in den kritischen Momenten und unter dem Druck einer gnadenlos tickenden Schachuhr seine Nerven behalten kann. Ein weiterer Schlüssel zum Sieg wird dem Spieler gehören, der in der Lage ist, die von ihm bevorzugten Stellungen im Mittelspiel zu erreichen. Magnus wird nach strategischer Klarheit und Nepo wird taktisches Chaos suchen. Ich freue mich auf ein wunderbares Duell, in dem beide Spieler auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren gegeneinander antreten. Im Gegensatz zu den letzten beiden WM-Spielen prognostiziere ich fünf Siege."

Karjakin Seirawan Tata 2019
Seirawan (rechts) mit Karjakin in Wijk aan Zee. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Gregory Serper

In seinem letzten Artikel schrieb unser Autor Gregory Serper folgendes über die Weltmeisterschaft:

"Da aber ein Ian Nepomniachtchi in einer guten Form und ein Nepomniachtchi in einer schlechten Form zwei grundverschiedene Spieler sind, ist es schwer, eine gute Prognose über den Ausgang der Weltmeisterschaft abzugeben. Die große Frage ist also: "Welchen Herausforderer werden wir bei der Weltmeisterschaft zu sehen bekommen?" 

Lasst es mich so sagen: Wenn (und das ist ein großes Wenn) Nepomniachtchi in seiner besten Form antritt, wird es kein Schnarch-Festival wie in den letzten beiden Weltmeisterschaften werden und wir werden ein großes Feuerwerk zu sehen bekommen! Und wenn der Herausforderer die Weltmeisterschaft gewinnen sollte (und das ist jetzt ein gewaltiges "wenn"), wird die Schachwelt nicht mehr dieselbe sein und wir werden aufhören, Rochaden zu verbieten und andere Regeln zu ändern.

Fabiano Caruana

Und was sagt Caruana, der letzte Gegner von Carlsen in einem Titelkampf, voraus? Das Folgende stammt aus einem sehr langen Interview, dass Chess.com mit Amerikas Nummer 1 geführt hat:

„Ich würde Magnus immer noch als Favoriten bezeichnen, aber ich denke, dass er das Match lieber mit den klassischen Partien abschließen würde – vorausgesetzt natürlich, er beendet es als Sieger! [Lächelt.] Das ist aber nur so ein Gefühl. Ich meine, ich glaube, dass er zwar im Schnellschach und im Blitz stärker als Ian ist, aber weil es dort weniger Partien sind und der Zufall eine größere Rolle spielt, begünstigt ein Playoff eigentlich den Außenseiter. Ich würde zwar immer noch sagen, dass Magnus als Favorit gelten sollte, aber er sollte in einem Playoff keinen großen Vorteil haben. Meiner Meinung nach hat er im klassischen Schach einen größeren Vorteil."

Ian Nepomniachtchi

Last but not least lassen wir die Protagonisten selbst zu Wort kommen. Nepomniachtchi antwortete kürzlich in einem Interview mit Chess.com auf die Frage, ob er sich für die WM bereit fühle, auf seine urtypische Art:

„Sollte ich mich denn bereit fühlen? Ich denke, wenn man sich auf ein so großes Ereignis vorbereitet, hat man immer das Gefühl, mehr tun zu können. Wir arbeiten aber wahnsinnig viel und deshalb hoffe ich, dass ich bereit genug bin."

Bekanntlich hat er in klassischen Partien gegen Carlsen eine Bilanz von 4:1. Auf die Frage, was denn sein Lieblingssieg gegen den Norweger gewesen sei, fand er erneute eine kreative, aber vielleicht auch tiefgründige Antwort: "Ich schätze, der kommt er noch!" 

Magnus Carlsen

Und was ist mit dem Weltmeister selbst? Nun, als er kürzlich von Jonathan Tisdall gefragt wurde, ob er der Meinung sei, dass seine Erfahrung mit langen Titelkämpfen diesmal sein größter Vorteil sein könnte, bekam dieser eine sehr unverblümte Antwort: "Nein, mein größter Vorteil ist, dass ich besser im Schach bin."

My biggest advantage is that I am better at chess.
—Magnus Carlsen

In einem Interview vom August, das er direkt nach dem FIDE Weltcup, bei dem er Dritter geworden war, gegeben hatte, sagte Carlsen: "Wenn ich mein Bestes geben kann, habe ich sehr, sehr gute Chancen zu gewinnen. Ich hatte aber nie ein gutes Gefühl, wenn ich gegen ihn gespielt habe, weil du immer das Gefühl hast, dass er derjenige ist, der Druck auf dich ausübt und nicht umgekehrt."

Aktueller sind aber die Kommentare, die Carlsen am Donnerstag den 18. November dem norwegischen Podcast Løperekka podcast gegeben hat. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Carlsen der Meinung ist, dass der Sieger des Kandidatenturniers nicht sein härtester Gegner ist:

"Ich denke, die stärksten Gegner wären Caruana oder Ding Liren gewesen. Das sind die besten. Ich dachte vor dem Turnier, dass jedes andere Ergebnis gut für mich wäre und ich denke immer noch. Eine Weltmeisterschaft, bei der ich nicht gegen den besten Gegner spiele, hat für mich keinen großen Wert. Nepo ist definitiv eine Wildcard. Beim Norway Chess Turnier sah er in den ersten drei bis vier Runden sehr stark aus. Dann erhielt er in einen Rückschlag und brach komplett zusammen. Das kann er sich in einem WM-Match nicht erlauben." 

He is definitely a wildcard.
—Magnus Carlsen

Was sind Eure Vorhersagen? Schreibt sie in die Kommentare!

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms.

Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools.

Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013.

As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

In October, Peter's first book The Chess Revolution will be published!


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Phone: 1 (800) 318-2827
Address: PO Box 60400 Palo Alto, CA 94306

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