Ding wird beim Kandidatenturnier Zweiter
Ian Nepomniachtchi, der das Kandidatenturnier 2022 bereits nach der vorherigen Runde vorzeitig gewonnen hatte, remisierte seine letzte Partie gegen Jan-Krzysztof Duda und blieb damit nicht nur als einziger Spieler des Turniers ungeschlagen, sondern erzielte auch eine Rekordpunktzahl von 9.5 Punkten und eine Elo-Leistung von 2902.
Ding Liren gewann gegen Hikaru Nakamura das direkte Duell um den zweiten Platz.
Teimour Radjabov beendete das Turnier nach seinem Sieg über Richard Rapport auf dem dritten Platz und Alireza Firouzja durfte sich zum Abschluss des Turniers noch über einen Sieg gegen Fabiano Caruana freuen.
Nepomniachtchi hat sich durch seinen Sieg für ein Duell um die Weltmeisterschaft gegen Magnus Carlsen qualifiziert. Sollte sich der amtierende Weltmeister jedoch dazu entscheiden, seinen Titel nicht zu verteidigen, wird er gegen Ding um die Weltmeisterschaft spielen.
So konntet Ihr das Kandidatenturnier 2022 verfolgen
Wie übertrugen das Kandidatenturnier 2022 täglich ab 15.00 Uhr. Die deutschsprachige Übertragung findet Ihr auf Chess.com/TV, unserem Twitch-Kanal und auf YouTube, die englischsprachige Übertragung auf YouTube.com/ChesscomLive.
Alle Partien des Kandidatenturniers findet Ihr hier auf unserer Live Events Plattform.
Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung der letzten Runde mit den Kommentatoren Steve Berger und "The Big Greek" Georgios Souleidis.
Es war ein passender Abschluss eines sehr aufregenden Kandidatenturniers: Nicht weniger als drei Siege in der letzten Runde haben die Tabelle noch einmal gehörig durcheinandergewirbelt. Der große Sieger stand jedoch schon vor der Runde fest.
In der letzten Runde des letzten Kandidatenturniers, als er auch schon als Turniersieger feststand, wurde Nepomniachtchi von Ding vom Brett gefegt. Diesmal gelang es dem russischen Großmeister ungeschlagen zu bleiben und das Turnier mit einem Rekordergebnis von 9,5/14 zu beenden. In den vorangegangenen fünf Turnieren, die mit dem gleichen Format gespielt wurden, hatte es nur Viswanathan Anand geschafft, das Turnier ohne eine einzige Niederlage zu gewinnen. Und auch der Inder hatte sich damit für eine WM gegen Carlsen qualifiziert.
Der Kampf um den zweiten Platz wurde erst am allerletzten Tag entschieden und Ding konnte das direkte Duell gegen Nakamura gewinnen. Er qualifizierte sich nur über seine Elo für dieses Turnier und musste dann in China einen ganzen Monat lang Schach spielen, um die erforderliche Mindestanzahl an Partien zu erreichen. Nachdem er dann seine Erstrundenpartie gegen Nepomniachtchi verloren und in der ersten Turnierhälfte einige Chancen verpasst hatte, beeindruckte Ding aber in der zweiten Hälfte mit einer fantastischen Leistung.
In der Sendung von Chess.com bestätigte der chinesische GM, dass ihn zu Beginn des Turniers noch ein Jetlag geplagt und er deshalb schlecht geschlafen hatte. In der ersten Runde hatte er auf ein schnelles Remis gehofft, aber das hat nicht geklappt. "Danach habe ich versucht, das ganze als normales Turnier und nicht als Kandidatenturnier zu betrachten, um nicht so viel Druck zu haben."
Ding glaubt übrigens, dass Carlsen seinen Titel im nächsten Jahr doch noch verteidigen wird. Das könnte auch wahrscheinlicher geworden sein, nachdem sich der Weltmeister am Sonntag mit FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich und FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky getroffen hatte. Die drei diskutierten über mögliche Änderungen des Formats und Carlsen wurde freundlich gebeten, sich bis spätestens 20. Juli, dem Internationalen Schachtag, zu entscheiden. Fortsetzung folgt...
Duda-Nepomniachtchi ½-½
Duda sollte dafür gelobt werden, dass er heute, obwohl er allen Grund hatte, ein für ihn enttäuschendes Turnier mit einem schnellen Remis zu beenden, genau dies nicht getan hatte. Sein Gegner hätte sicher nichts dagegen gehabt.
Stattdessen zeigte der Pole, der ja in der sechsten Runde gegen Nepomniachtchi verloren hatte, eine beeindruckende Vorbereitung gegen die russische Verteidigung. Er brachte seinen Gegner im 11. Zug zum Nachdenken und blitzte selbst noch vier Züge lang weiter. Erst nach 15…a5 musste Duda zum ersten Mal selbst nachdenken.
Nepomniachtchi sagte, er habe diese Variante zwar analysiert, aber für heute nicht damit gerechnet und deshalb musste er hart arbeiten, um sich an seine Vorbereitung zu erinnern. Als das Mittelspiel immer schärfer und schärfer wurde, fand er jedoch immer wieder alle guten Züge. Der Turniersieger zeigte, wie schon im gesamten Turnier, wieder einmal eine erstaunliche Verteidigung.
Dudas Zug 26.Lxg6 war ein netter Schuss, um den schwarzen König zu öffnen, aber Nepomniachtchis 28…Ld5, ähnlich wie Nakamuras 25.Ld6 in der vorherigen Runde, rettete ihm den Tag. Ein "korrektes" und interessantes Remis!
Anmerkungen von Rafael Leitao.
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Später enthüllte Nepomniachtchi, dass neben den Großmeistern Nikita Vitiugov und Ildar Khairullin auch Peter Leko bei ihm in Madrid war.
Ding-Nakamura 1-0
Das große Duell der Runde begann zwar relativ ruhig, enttäuschte aber niemanden. Als sich Nervosität und Müdigkeit bei beiden Spielern bemerkbar machten, behielt Ding die Nerven und konnte sich den zweiten Platz sichern.
Nakamura und Ding hatten schon in der sechsten Runde ein sehr interessantes Remis gespielt, aber es gibt noch mehr Geschichte: Die beiden spielten auch das wohl beste Match aller Zeiten bei der Chess.com Speed Chess Championship!
In der heutigen Partie kam Nakamura eigentlich ganz gut aus der Eröffnung. Seine Einladung für ein Semi-Tarrasch wurde zwar von Ding ausgeschlagen, aber dann wurde die Eröffnung zu einem angenommenen Damengambit mit einer sehr symmetrischen Stellung. Nakamuras 14…f5 änderte das ein wenig, aber es zeigte nur, dass Schwarz absolut in Ordnung war.
Nach der Partie bedauerte der Amerikaner, im 18. Zug keine Türme getauscht zu haben, denn mit dem subtilen Zug 19.Tdc1 schaffte es Ding, die Türme auf dem Brett und damit die Stellung am Leben zu halten. "Ich sollte immer noch ok stehen, aber ich war schon sehr sauer auf mich", sagte Nakamura.
Als er seinen Turm auf die siebte Reihe gebracht hatte, schien Ding zumindest optisch einige Fortschritte erzielt zu haben, aber wenn Nakamura im 35. Zug einen Turmtausch angeboten hätte, hätte er immer noch genügend Gegenspiel gehabt.
Die Stellung nach 35.Kf1.
Hier sah 35…Td8 36.Txd8 Lxd8 37.Ld6 für Schwarz schon sehr unangenehm aus, aber wenn Schwarz mit 37…Kf7 38.Sc5 und Le7 fortsetzt, ist sein König so aktiv, dass er keine Probleme haben sollte.
Nakamura entschied sich aber für 35…Ld8 und danach hatte Weiß die volle Kontrolle. Daniel Naroditsky sagte, der einzige Aspekt, bei dem Nakamura in diesem Turnier nicht perfekt war, war, "dass er einige Stellungen in kritischen Momenten falsch eingeschätzt hat".
Nakamura selbst benutzte später in seinem Interview das Wort "Tilt". "Ich konnte mich nicht kontrollieren. Ich war einfach nicht sehr zufrieden mit dem, was während der gesamten Partie passiert ist."
Ding gab seinem Gegner aber dann noch eine letzte Chance. In einem besseren Zustand hätte Nakamura vielleicht 38...f3 gefunden, aber als er diesen Zug verpasste hatte, war die Partie vorbei.
"Glück kommt und Glück geht", sagte Nakamura, der zugab, dass er am Vortag ein bisschen Glück gehabt hatte. "Heute hatte es wohl einfach nicht sein sollen."
Wir haben heute auch das Glück, dass "The Big Greek" Georgios Souleidis Nakamuras fehlendes Glück für uns analysiert hat:
Und auch Großmeister Sam Shankland hat sich die Partie genauer angesehen und erklärt uns die wichtigsten Züge:
In der letzten Runde des Kandidatenturniers kam es zwischen Ding und Nakamura zu einem direkten Duell um den zweiten Platz. Ding musste mit Weiß gewinnen, um Hikaru in der Gesamtwertung zu überholen. Es ist immer schmerzhaft zu sehen, wenn Nakamura eine wichtige Partie verliert, aber ich muss Ding wirklich Anerkennung dafür zollen, dass er Wege gefunden hat, in einer scheinbar völlig toten Stellung Druck auszuüben.
Rapport-Radjabov 0-1
"Eine gute Partie von erschöpften Spielern", beschrieb Radjabov seinen heutigen Sieg. Es war sein dritter Sieg in diesem Turnier und brachten ihm den dritten Platz ein. Obwohl natürlich niemand bestreiten will, dass auch Radjabov erschöpft war, war es vor allem Rapport, dem während der Partie die Puste ausgegangen war.
Diese Partie war eine von zwei Partien mit identischen Eröffnungen, denn auch in der Partie zwischen Caruana und Firouzja kam die Anti-Berlin-Variante der spanischen Eröffnung mit 6.Sbd2 aufs Brett, die wir bei diesem Turnier schon mehr als einmal gesehen haben.
Beide Spieler führten eine ganze Reihe von Standardzügen aus, wobei Weiß seinen Springer (auf Umwegen) nach c4 brachte und Schwarz seine Basis auf e5 mit 14…Sd7 und 16…f6 unterstützte.
Rapports Zug 17.Tg1 war richtungsweisend für die Zukunft: Er war bereit, seinen g-Bauern nach vorne zu werfen und den gegnerischen König anzugreifen. Nach 18…h6 dachte Radjabov, er hätte den g-Bauern vorerst gestoppt, aber Rapport dachte anders: Push em baby!
Die Stellung nach 19.g5.
19.g5 war ein wirklich cooler Zug, der dem Angriff von Wei Yi gegen David Navara von 2016 in Wijk aan Zee ähnelte. Die Fortsetzung 20.h4 schien automatisch zu sein, aber Rapport hatte etwas anderes im Sinn: ein volles Figurenopfer. Objektiv gesehen war es eine Fehlentscheidung, aber in der Praxis war es nur schwer zu widerlegen.
Die Stellung nach 20.Sxg5.
Naroditsky wies schnell darauf hin, dass der Zwischentausch 20…Lxc4! 21.bxc4 und erst dann 21…hxg5 das Opfer mehr oder weniger widerlegt hätte, denn nach 22.Txg5 hätte Schwarz 22…Le7 und 23…Lf6 spielen können.
Radjabov wollte seinen weißfeldrigen Läufer aber nicht aufgeben und die Engine war mit der Kompensation von Weiß einverstanden. Jetzt waren aber alle drei Ergebnisse möglich.
Rapport wählte jedoch schnell den falschen Plan und Radjabov brachte den Angriff mit seinem Turmaufzug nach g6 praktisch vollständig zum Erliegen und ein paar genauere Züge brachten ihm dann den vollen Punkt ein.
Anmerkungen von GM Rafael Leitao.
Radjabovs Abschneiden in der oberen Hälfte kam unerwartet und wie sich herausstellte, war er nicht der Punchingball, für den ihn viele hielten. Stattdessen zeigte der älteste Spieler im Feld, dass er selbst noch einige Schläge austeilen kann und ruinierte ganz nebenbei die Turniere anderer Spieler.
Rapport landete hingegen etwas unerwartet auf dem geteilten letzten Platz. Sein unternehmungslustiges Spiel war aber definitiv ein großer Mehrwert für dieses Turnier - oder für jedes andere Turnier, das er spielt.
Caruana-Firouzja 0-1
Nachdem er sich in der ersten Turnierhälfte 5 Punkte erspielt hatte, brach Caruana in der zweiten Hälfte völlig ein. Mit nur 1.5 Punkten spielte er die schlechteste Rückrunde aller Spieler. Firouzja hingegen, der nach sieben Runden mit 2,5 Punkten noch auf dem letzten Platz gelegen war, erzielte in der zweiten Hälfte ordentliche 50 Prozent. Mit seinem heutigen Sieg über Caruana hat zwar er etwas Schadensbegrenzung betrieben, verliert aber immer noch 15 Elo-Punkte (Caruana hat acht verloren).
Wie bereits erwähnt, begann auch diese Partie mit der Anti-Berlin-Variante mit 6.Sbd2. Bis zum 19. Zug folgten viele ähnliche Züge wie in der obigen Partie und Caruana war bereit, Rapports Plan mit g2-g4 zu kopieren. Vielleicht hat genau das Firouzja dazu inspiriert, 19...f5 zu spielen.
Dies gab Caruana die Chance, einige nützliche Abtäusche zu tätigen und Weiß endete mit einem schönen Blockadespringer auf e4, der von keinem schwarzen Bauern oder Läufer belästigt werden konnte. Eine Stellung, die Caruana niemals verlieren könnte. Oder etwa doch?
Seine nächsten beiden Bauernzüge (26.g3 und 27.d4) schienen falsch zu sein, denn plötzlich bekam Firouzja ein erhebliches Gegenspiel. Die Dinge gerieten für Caruana außer Kontrolle und er endete in einem Endspiel mit einem Minusbauern. Irgendwie kämpfte er sich dann zwar in eine Stellung zurück, die die Engine als Remis bezeichnete, aber bei seinem letzten Zug vor der zweiten Zeitkontrolle stolperte Caruana dann erneut.
Anmerkungen von GM Rafael Leitao.
FIDE Kandidatenturnier 2022 | Preisgeld
# | Spieler | Preisgeld/Platz | Punkte | Preisgeld/Punkte | Gesamt |
1 | Nepomniachtchi | € 48.000 | 9.5 | € 66.500 | € 114.500 |
2 | Ding | € 36.000 | 8 | € 56.000 | € 92.000 |
3 | Radjabov | € 12.000 | 7.5 | € 52.500 | € 64.500 |
4 | Nakamura | € 12.000 | 7.5 | € 52.500 | € 64.500 |
5 | Caruana | 0 | 6.5 | € 45.500 | € 45.500 |
6 | Firouzja | 0 | 6 | € 42.000 | € 42.000 |
7 | Duda | 0 | 5.5 | € 38.500 | € 38.500 |
8 | Rapport | 0 | 5.5 | € 38.500 | € 38.500 |
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- Runde 2: Sieger: Nakamura
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- Runde 4: Sieger: Nepomniachtchi
- Runde 5: Vier Remis
- Runde 6: Sieger: Caruana und Nepomniachtchi
- Runde 7: Sieger: Caruana und Nepomniachtchi
- Runde 8: Sieger: Rapport und Nakamura
- Runde 9: Sieger: Ding, Radjabov und Firouzja
- Runde 10: Sieger: Ding, Duda und Nakamura
- Runde 11: Sieger: Ding und Nepomniachtchi
- Runde 12: Sieger: Radjabov
- Runde 13: Sieger: Nakamura